Neandermord
Kippe aus und hob sie ordentlich auf, ehe er aufstand.
»Schönen Abend noch«, sagte er.
»Ihnen auch. Schönen Feierabend.«
Er schlenderte weiter.
Offensichtlich zog es ihn nicht besonders in die heimischen Gefilde. An einem Papierkorb blieb er stehen und warf die Kippe hinein. Er blieb eine Weile stehen, dann dauerte es quälend lange, bis er einen Fuß vor den anderen setzte und aus meinem Blickfeld verschwand.
Ich sah auf die Uhr. Knapp sieben.
Ich wartete genau zehn Minuten. Dann kehrte ich zum Wagen zurück.
15. Kapitel
Als die Straßen noch richtige Namen und nicht einfach nur Nummern besaßen, nannte man die Bundesstraße Nummer 7 »Bergische Landstraße«. Bei Einheimischen hieß sie auch heute noch so. Wahrscheinlich war die Ost-West-Verbindung, die von Barmen über Elberfeld und Mettmann bis nach Düsseldorf reichte und dort in die Autobahn 57 überging, uralt. Sicher ein Handelsweg, dessen Geschichte bis in die Frühzeit des Bergischen Landes zurückzuverfolgen war. Heimatforscher konnten dazu bestimmt eine Menge sagen. Mich brachte diese Straße, die heute in großen Teilen ziemlich verbaut erscheint und nur noch hin und wieder durch die grüne Landschaft führt, die man mit dem Begriff »Bergisches Land« verbindet, in die Gegend, die mir Manni beschrieben hatte.
Mitten im Niemandsland zwischen den Städten, wo sich die Straße zwischen Kalksteinbrüchen und Industriegebieten bewegte, bog ich ab, stoppte nach etwa hundert Metern und stieg aus.
Das Unkraut, das durch den Asphalt vor dem Gebäudeklotz wuchs, verhieß nicht gerade regen Geschäftsbetrieb. In der Mitte der grauen Wand führten drei breite Waschbetonstufen zu einer Glastür. Darüber erstreckte sich über eine ansehnliche Breite ein verschlungenes Gebilde aus Neonröhren, die das Wort »Nevada-King« darstellen sollten. Die Beleuchtung war nicht eingeschaltet, und einige der Buchstaben waren zerbrochen.
Hier hatte seit langer Zeit keiner mehr Geld verzockt.
Ein paar Schritte, und ich war die gesamte Front abgelaufen. Die Tür war verschlossen. Fenster gab es nicht. Als ich die Nase an das Glas des Eingangs presste, sah ich nur Dunkelheit.
Dann entdeckte ich die Klingel.
Sie befand sich an einem zurückgesetzten Holztor rechts des Gebäudeblocks. Bis zur Grundstücksgrenze, die mit einer langen Reihe Friedhofsgewächse markiert war, gab es eine Breite von höchstens zwei Metern. Hinter dem Tor zog sich die Zufahrt weit nach hinten und verlor sich hinter einer Kurve.
Neben der Klingel war ein Messingschild befestigt: »Müller -Nevada-King«.
Na also.
Jutta gegenüber hatte ich mutig erklärt, dass mir der Nevada-King-Boss sicherlich nichts tun würde, weil er mich ja als Verdächtigen brauchte. Jetzt, wo ich hier stand, war ich mir da nicht mehr so sicher. Tappte ich in die Falle, wenn ich da einfach reinging?
Ich streckte die Hand aus, um auf die Klingel zu drücken, da kam mir ein Gedanke. Ich schaltete wieder das Handy ein und wollte die Nummer der Auskunft wählen. Bevor ich dazu kam, rappelte das Gerät mehrmals. Jutta hatte dreimal angerufen.
Sie musste jetzt warten.
Die Auskunft meldete sich.
Ich gab den Namen Müller und den Firmennamen »Nevada-King« durch und nannte sicherheitshalber noch die Adresse.
Eins war klar: Die Polizei hatte das Bild, auf dem Krüger höchstwahrscheinlich in diesem Spielclub Geld bekam. Und diese Dorau war sicherlich schlau genug, um ebenfalls dahinterzukommen, um welchen Spielsalon es sich handelte. Die Bullen würden also über kurz oder lang hier auftauchen. Wenn sie nicht schon hier gewesen waren.
Die Dame von der Auskunft fand die Nummer. »Soll ich Sie gleich mit dem Teilnehmer verbinden?«
Ich lehnte dankend ab und bemühte mich, mir die Zahlenfolge zu merken, die die Computerstimme durchgab.
Ich stieg in den Renault, folgte ein paar kleinen Querstraßen und kam in eine Gegend, in der wieder mehr Wohnhäuser standen. Dort quetschte ich den Wagen in eine winzige Lücke.
»Jetzt bist du auch nicht so allein«, sagte ich zu dem Roten, als ich die Tür abschloss. Was sagen Psychologen dazu, wenn jemand anfängt, mit seinem Auto zu reden?
Fünf Minuten später stand ich wieder vor der Klingel und tippte die Telefonnummer in mein Handy. Es klingelte lange, bis jemand abnahm.
»Hallo?«, sagte eine Männerstimme.
»Spreche ich mit Herrn Müller? Nevada-King?«
»Schon möglich. Was kann ich für Sie tun?«
Der Gesprächseinstieg erinnerte mich an eine
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