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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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als Zielscheibe für jeden neuen Essex-Girl-Witz zu dienen. Dass sie mit dieser erfundenen Blondine mit Miniröckchen und High Heels, Riesenbrüsten und Spatzenhirn keinerlei Ähnlichkeit hatte, spielte kaum eine Rolle. Der Name war’s.
    Sharon Garnett war sechsunddreißig und seit sieben Jahren bei der Polizei. Sie hatte zwei Jahre lang eine Schauspielausbildung an der Poor School gemacht, mit Theatertruppen gearbeitet, hauptsächlich schwarzen, die, von mageren städtischen Zuschüssen finanziert, Gemeindearbeit leisteten. Sie hatte zwei kleine Rollen in Fernsehsoaps bekommen, die obligatorische Schwarze mit dem goldenen Herzen. Ein Freund hatte ein dreißigminütiges Video für Channel 4 mit Sharon in der Hauptrolle gemacht, und vier, fünf Minuten lang hatte es so ausgesehen, als stünde sie am Beginn einer Karriere. Sechs Monate später saß sie wieder im Minibus und klapperte mit einem Stück über FrauenrechteKrankenhäuser und Jugendzentren von Holloway bis Cowdenbeath ab. Und sie war schwanger.
    Es war eine lange Geschichte: Sie hatte eine Fehlgeburt. Danach saß sie Tag um Tag in der Wohnung ihrer Eltern in Hackney und starrte Löcher in die Luft, ohne ein Wort zu sprechen. Eines Nachmittags zwischen drei und vier, die Sonne schien und selbst Hackney erschien wie ein Ort, an dem man vielleicht gern leben würde – sie erinnerte sich genau, bis ins kleinste Detail   –, ging Sharon ins örtliche Polizeirevier und bat um ein Bewerbungsformular.
    »Leute wie Sie werden bei uns mit offenen Armen aufgenommen«, hatte der Sergeant gesagt. »Ethnische Minderheiten sind derzeit total angesagt.«
    Trotz der gelegentlichen Bemerkungen, der jäh abbrechenden Gespräche, wenn sie ins Zimmer trat, des mit Exkrementen gefüllten Briefumschlags mit der Aufschrift »Friss mich«, den sie eines Tages in ihrem Spind fand, verlief Sharons Ausbildung relativ reibungslos.
    Überraschung! Zum Auftakt kam sie nach Brixton, direkt an die vorderste Front. Als Schwarze in Uniform, die auf den Straßen Streife ging, war sie das lebende Beispiel dafür, wie die Londoner Polizei sich veränderte. Schwarze Männer schimpften sie Hure und ihre Schwestern spuckten ihr im Vorbeigehen vor die Füße.
    Drei Anträge mit Bitte um Versetzung zur Kriminalpolizei wurden abgelehnt. Sie landete daheim in Hackney bei der Abteilung häusliche Gewalt, aber das war nicht das, was sie wollte. Sie hatte ihren Anteil an Fürsorge und Bewusstseinsbildung bereits geleistet. Wenn sie Sozialarbeiterin hätte werden wollen, erklärte Sharon ihrem Inspector, hätte sie sich ganz bestimmt nicht bei der Polizei beworben.
    Gut: zurück zur Streife.
    Anderthalb Jahre später, mit einer kaputten Beziehung hinter sich, ging sie aus London weg zum CID Lincoln,ein freundliches, ruhiges Städtchen mit einer großen Kathedrale, wo Sharon sich völlig fehl am Platz fühlte. Sicher, es gab Einbrüche, und nicht zu knapp – die Rezession machte sich auch hier bitter bemerkbar   –, Drogenhandel in bescheidenem Umfang und an Fahrzeugdelikten alles, was man sich vorstellen konnte. Das Aufregendste, was Sharon erlebte, waren schwere Krawalle, die in einer Siedlung mit Sozialwohnungen unversehens nach einem lächerlichen Streit über einen Ladendiebstahl ausbrachen: Benzinbomben und Beschimpfungen, Steine aus den Händen Zehnjähriger flogen den Polizisten um die Ohren, die sich, weit in der Unterzahl, hinter ihre Schilde verschanzt zurückzogen. Verstärkung von außen und eine Spezialeinheit mussten anrücken, um die Lage schließlich unter Kontrolle zu bringen.
    Inzwischen war sie nach King’s Lynn versetzt worden. Dort war es noch ruhiger.
    Auch jetzt war es ruhig. Die Sonne war noch nicht aufgegangen und Raureif bedeckte Rotdorn und Eiche und die dunklen Wellen umgepflügter Äcker. Sharon und zwei ihrer Kollegen hockten hinter einem museumsreifen Massey-Ferguson-Traktor und ließen eine Thermosflasche, Kaffee mit Whisky angereichert, herumgehen. Der Kaffee war heiß, und ihr Atem, der taubenblau in der Luft stand, zeugte von bitterer Kälte. Sie trank sparsam und reichte die Flasche weiter. Keinesfalls wollte sie irgendwo ins Gebüsch kriechen und pinkeln müssen, das war schon umständlich genug, wenn sie nur eine Strumpfhose trug und nicht zwei übereinander wie an diesem Morgen.
    »Die kommen bestimmt nicht«, sagte der eine Kollege. »Jetzt sitzen wir schon ewig hier.«
    Sharon schüttelte den Kopf. »Die kommen.«
    Sie ermittelte seit fünf Monaten in der

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