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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Sache, seit der erste Vorfall gemeldet worden war. Damals waren auf einem Hof bei Louth sieben Schweine abgeschlachtet, ineinen wartenden Lieferwagen geschleppt und zerlegt worden. Marktstände im gesamten Bezirk Kesteven hatten mit Sonderangeboten an Schweinebauch, Haxen und Koteletts geworben.
    »In Zeiten, wie wir sie jetzt haben«, sagte Sharons Chef, »tun die Leute, was sie können.«
    Das war wahrscheinlich richtig. Die Zahl der Anzeigen wegen Schafdiebstahls auf dem Dartmoor und im Lake District hatte sich in den letzten zwei Jahren verdreifacht.
    »Da! Schau!«
    Ihr Herz begann schneller zu schlagen. Scheinwerferlichter, trübe im grauen Morgen, bewegten sich zwischen Bäumen hindurch. Sharon sprach in das Funkgerät, das an der Schulter ihrer gepolsterten Jacke befestigt war, ihre Anweisungen waren knapp und klar.
    »Viel Glück«, sagte jemand, der schnell an ihr vorbeihuschte.
    Sharon hielt den Atem an.
    Die Lichter wurden deutlicher, als sie näher kamen, der Lieferwagen gewann Kontur vor dem langsam heller werdenden Himmel. Sharon wurde der Mund trocken, während sie wartete, in angespannter Haltung, bereit, sofort loszupreschen. Drüben bei den Ställen trotteten ein paar Tiere trübsinnig umher und wühlten in den Resten des Strohs, das man ihnen auf die gefrorene Erde geworfen hatte.
    Die Haut unter ihrem Haar begann zu prickeln, als der Lieferwagen langsamer fuhr und noch einmal langsamer. Noch ehe er anhielt, sprangen drei Männer in dunklen Jacken und schwarzen Hosen heraus, von denen jeder etwas in der Hand hielt, was im grauen Licht aufblitzte.
    »Wartet«, hauchte Sharon. »Wartet um Gottes willen.«
    Zwei der Männer stürzten sich auf ein Schwein, der eine schlug es mit einem Knüppel in den Nacken. Das Tier quiekte schrill auf vor Angst und versuchte rutschend zuentkommen, als der Knüppel das zweite Mal niedersauste. Der Fahrer des Wagens, der losrannte, um seinen Komplizen zu helfen, stolperte und stürzte, das lange Messer fiel ihm aus der Hand.
    »Los!«, rief Sharon und warf sich vorwärts. »Schnell! Schnell! Schnell!«
    »Polizei!«, rief es rundherum. »Polizei!«
    Sharon schnappte sich den Mann, der schon zu Boden gegangen war, und bohrte ihm den Absatz ihres Stiefels in den Rücken, bis er wieder flach lag. Befriedigt lief sie weiter und überließ es den Leuten, die ihr folgten, dem Mann Handschellen anzulegen und ihn wegzubringen. Der Knüppel lag auf ihrem Weg und, ohne innezuhalten, hob sie ihn auf.
    Wütende Stimmen, Flüche und das Angstgeschrei der Schweine umgaben sie. Einer der Diebe riss sich los und flüchtete zum Lieferwagen. Zwei Beamte rannten ihm hinterher, stolperten über die hartgefrorenen Erdfurchen. Zwei andere waren noch in ein Handgemenge mit Polizisten verwickelt, während ein dritter, von einem Beamten im Schwitzkasten zu Boden geworfen, auf den Knien lag.
    Der Flüchtende hatte es geschafft, den Lieferwagen zu starten, und fuhr los. Ein Beamter hängte sich außen an die Tür und versuchte, einen Arm durch das offene Fenster gestreckt, das Lenkrad zu fassen zu bekommen. Sharon sprang zurück, als das Fahrzeug ausbrach und stecken blieb. Der Fahrer gab Vollgas, aber die Räder gruben sich unter Fontänen aufspritzender schwarzer Erde nur immer tiefer in den Boden. Ein Faustschlag traf ihn an der Schläfe und Handschellen fesselten ihn ans Lenkrad, als der Motor ausging.
    »Sharon!«
    Bei dem Warnruf fuhr sie herum und riss den Kopf zurück, um dem Fleischermesser zu entkommen, mit dem einer der Diebe auf sie losgehen wollte.
    »Das ist aber nicht schön«, sagte Sharon, holte mit dem Knüppel aus und traf den Ellbogen ihres Angreifers mit solcher Wucht, dass der Knochen brach.
     
    Erst als die Gefangenen ordnungsgemäß belehrt und zur Rückfahrt nach Lincoln in verschiedene Fahrzeuge verteilt waren, als endlich hinter den lichten Bäumen sich schwach die Sonne zeigte, ging Sharon über den zertrampelten Boden noch einmal zurück zu den eifrig herumwühlenden Schweinen. Sie brauchte nur einen Moment, um zu erkennen, dass ihre begierige Aufmerksamkeit einer menschlichen Hand galt.

45
    Der Hof war abgesperrt worden: Auf allen Zugangsstraßen standen Umleitungsschilder. An Metallpfosten befestigtes gelbes Plastikband, das ab und zu vom Nordwind angehoben wurde, umgrenzte das Gebiet, wo die Leiche gefunden worden war. Männer und Frauen in dunkelblauen Overalls schwärmten in sich stetig vergrößernden Kreisen vom Fundort aus, um das Gelände abzusuchen.

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