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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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selbst, bevor sie sich niederließ und mit einer Pfote über den Augen einschlief. Jimmy Blatons Bass riss die ganze Band mit.
    Exmouth oder Exeter? Eine Kutsche oder ein Schlitten? Miles warf Resnick einen vorwurfsvollen Blick zu, als erzu Boden gesetzt wurde. Es war so einfach, einen Finger unter die Klappe des Briefumschlags zu schieben, ihn aufzureißen, den Inhalt herauszunehmen. Es war eine Postkutsche mit Mistelzweigen an den Fenstern und Schneeflocken rundherum; vom Bock lachte, den Hut lüftend, ein Verwandter von Mr Pickwick.
Verzeih mir, Charlie ,
hatte sie auf die Innenseite der Karte geschrieben. Und darunter, in stark zum unteren Rand hin abfallenden Worten,
Fröhliche Weihnachten, Elaine .
    Keine lieben Grüße, kein Kuss.
    Verzeih mir.
    Er hörte wieder Alice Skeltons zischende Stimme.
Reichen Ihnen die Beweise nicht? Müssen Sie die beiden erst auf frischer Tat ertappen? In Ihrem eigenen Bett vielleicht?
    Es war ein fremdes Bett gewesen, in einem leeren Haus, die Bettdecke sorgfältig zurechtgezogen, die Kopfkissen ein wenig zusammengeschoben, nicht ganz akkurat gerichtet. Als er die Bettdecke anhob und das Gesicht zur Mitte des Lakens hinunterneigte, gab es nichts mehr zu leugnen. Die nachklingende Wärme und der scharfe Geruch eines gerade erst hastig vollzogenen Geschlechtsverkehrs waren unverkennbar. Und das Lächeln in Elaines Gesicht, als er sie Minuten zuvor aus dem Haus hatte kommen sehen. Dieses Lächeln. Resnick brauchte nur, wie jetzt, die Hand zu seinem Gesicht zu heben und die Augen zu schließen, um tief in den Spalten zwischen seinen Fingern diese Erinnerung zu schmecken, salzig wie das Meer.

9
    Dana hatte den Komplimenten, die ihr auf der Weihnachtsfeier gemacht wurden, kaum Beachtung geschenkt. Jedenfalls nicht zu Anfang. Die üblichen Bemerkungen über ihrOutfit, ihre Frisur, ihre Figur, die Vergleiche mit Madonna. »Ich wette, Sie bekommen zu Weihnachten Sex geschenkt.« »Sei nicht blöd, Jeremy, du siehst doch, dass sie den schon hat.« Für manche Männer, auch für manche Männer in ihrer Firma, war es so natürlich wie das Luftholen. Vor allem für die verheirateten, die ihren Frauen solche Dinge schon lange nicht mehr sagten. Sie empfand es nicht einmal als sexuelle Belästigung. Sie fühlte sich nicht bedroht, kaum je peinlich berührt; es kam ständig vor, blieb innerhalb der Grenzen des allgemein Akzeptablen, und auch wenn es auf die Dauer etwas nervte, war es doch immer noch besser als mit einem Haufen primitiver Typen zusammenzuarbeiten, die bei der ersten Gelegenheit mit plumpen Sprüchen wie »Hey, Titten raus« kamen.
    Im Übrigen hatte sie nichts gegen ein bisschen Anerkennung. Gerade von Männern. Nicht dass sie sich vor ihnen produzierte, aber sie fühlte sich doch gern wahrgenommen. Wie sie zu Nancy gesagt hatte, wenn einem nie ein kleiner Flirt erlaubt wurde, wenn die Blume nicht die Biene anlockte – ja, wie sollte sich denn dann irgendwas entwickeln? Und eins wusste sie mit Sicherheit: Zu viel Zurückhaltung war schädlich. Wenn man ständig nur vorsichtig um einander herumschlich und so tat, als hätte man Scheuklappen auf, wenn jedes Wort stets korrekt und jeder Blick stets kontrolliert war, bekam man es irgendwann garantiert mit einem Kerl zu tun, mit dem es plötzlich durchging, der einen hinter die Kopiermaschine zerrte und seine unerwiderte Leidenschaft über den ganzen Fußboden ergoss. »Hm«, hatte Nancy unsicher gesagt, »vielleicht gibt’s ja noch was dazwischen.«
    Ja, hatte Dana bei sich gedacht, als Andrew Clarke sie aufforderte und, kaum ihren Ellbogen berührend, zur Tanzfläche führte, vielleicht gibt es das wirklich.
    Andrew war einer der Seniorpartner, hatte eine viktorianische Villa im eleganten Parkviertel, mit Originalbalkenund anderen antiken Schikanen. Das Familienauto war ein BMW, aber Dana war aufgefallen, dass in letzter Zeit immer ein kleiner Toyota MR2 auf seinem Privatparkplatz stand. Ein roter kleiner Flitzer für die Stadt, jetzt, wo bald keine teuren Privatschulen mehr bezahlt werden mussten. Das Provokanteste, was er je zu ihr gesagt hatte, war auf die Klimaanlage im Büro bezogen gewesen. Er war absolut gewissenhaft und korrekt; nicht ein einziges Mal hatte sie ihn dabei ertappt, dass er ihren Hintern begutachtete, wenn sie ihm den Rücken kehrte.
    »Ich bin leider in diesen Dingen nicht sehr begabt. Obwohl meine Töchter sich bei Familienfesten bemühen, mir das Grundlegende beizubringen.«
    Bei dem Gedränge auf dem

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