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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Hände in die Taschen, und bog links ab und ging über das Kopfsteinpflaster hinaus auf die Straße.

8
    Zu Weihnachten hatte Resnick sich selbst ›The Complete Billie Holiday on Verve‹ geschenkt, dazu eine Neuausgabe von Dizzy Gillespies Autobiografie und den ›Penguin Guideto Jazz‹ auf CD, LP und Kassette. Nun brauchte er nur noch einen C D-Player .
    Aber als er vor einigen Tagen vom Canning Circus in die Innenstadt hinuntergebummelt war, bei Sonnenschein und unter einem klaren blauen Winterhimmel, und sich das Schaufenster von Arcade Records ansah, hatte er sie zwischen Eric Clapton und Elton John entdeckt, eine schwarze Box, vorn mit einem schattenhaften Abbild von Billie;zehn CD’s und ein Buch von zweihundertzwanzig Seiten, siebenhundert Minuten Musik, eine nummerierte limitierte Ausgabe, nur sechzehntausend Exemplare weltweit.
    Weltweit hatte er gedacht; nur sechzehntausend weltweit. Das war nicht viel. Und da lachte ihm ein Exemplar entgegen, noch dazu zu einem Schnäppchenpreis. Er hatte sein Scheckbuch bei sich, aber nicht die Karte. »Das macht nichts«, sagte der Geschäftsinhaber, »ich glaube, wir können Ihnen vertrauen.« Und setzte den Preis noch einmal fünf Pfund herunter.
    Den ganzen Vormittag über, während er die Ente zubereitete, die Kartoffeln schälte, das Bad sauber machte, sah er die Box immer wieder an. ›Billie Holiday on Verve‹. Mehrfach blätterte er die Broschüre durch. Billie Holiday auf einem Foto in New York 1956: eine Frau, die früh verblüht war, kein Glamour, eine Hand in die Hüfte gestemmt wartete sie ungeduldig, eine Frau bei der Arbeit, jetzt macht schon, packen wir’s an. Er schloss die Augen und stellte sich vor, sie sänge ›Cheek to Cheek‹ mit Ben Webster, war das nicht ‘56? ›Do Nothing Till You Hear From Me‹. ›We’ll Be Together Again‹.
    Es war so viel leichter, sich immer wieder die Broschüre anzusehen, die Scheiben aus den braunen Umschlägen gleiten zu lassen, die Reproduktionen von Albumhüllen in dem besonderen Umschlag zu bewundern; das alles war viel leichter als die wenigen Schritte zum Kaminsims und zu der Karte zu gehen, die dort im ungeöffneten Kuvert wartete. Mit verwischtem Poststempel, dem Aufdruck nach vielleicht aus Devon: unverkennbar die spitzen Schriftzüge seiner Exfrau.
     
    Die Ente war köstlich, mit einem kräftigen Aroma, fett, aber nicht zu fett. Eindeutig sah das auch Dizzy so, der, ehe Resnick sich’s versah, mit einem kühnen Sprung aufdem Tisch war und seinen Anteil Brustfleisch sowie einen Happen vom Keulchen verspeiste, bevor er sich mit einem Flügel zwischen den Zähnen willig in den Garten hinausscheuchen ließ.
    Resnick schnitt das Fleisch rund um die Stelle ab, wo der schwarze Kater geräubert hatte, und verteilte es an die anderen Katzen, Miles, Bud und Pepper, der eine schon auf den Hinterpfoten, der andere mit dem Kopf Resnicks Schienbeine bearbeitend und der dritte geduldig vor seinem Napf.
    Neben den Kartoffeln, die er zum Schmoren rund um den Braten legte, hatte Resnick einige Steckrüben püriert, das Ganze mit Paprika bestreut und mit saurer Sahne übergossen. Er hatte Sprossen in kochendem Wasser blanchiert, bevor er sie in der Pfanne mit kleingeschnittener Salami briet. Die Polnische ließ er in Bier köcheln, bis sie richtig aufgegangen und durch war.
    Er hatte sich gerade eine zweite Portion zusammengestellt, als Marian Witczak anrief.
    »Charles, wie geht es dir? Ich wollte dich schon den ganzen Tag anrufen und dir fröhliche Weihnachten wünschen, aber ich weiß auch nicht, irgendwie kam immer etwas dazwischen.«
    Resnick sah sie vor sich, wie sie allein inmitten der extravaganten viktorianischen Möbel in ihrem Haus auf der anderen Seite der Stadt saß und zur Feier des Tages auf lang verstorbene polnische Helden trank, weißen Sherry aus einem feingeschliffenen Kristallglas, sich dann vielleicht ans Klavier setzte und eine Weile Chopin spielte, bevor sie die Memoiren irgendeines Generals oder ein Album mit verblassten Fotografien aus dem Regal nahm.
    »Und – wie haben dir meine Geschenke gefallen, Charles? Ich will es unbedingt wissen.«
    Sie lagen noch auf der Truhe im Flur, gefällig in schneeweißesPapier mit rot-weißen Bändern und Schleifen gewickelt.
    »Marian, entschuldige, tausend Dank. Danke vielmals.«
    »Sie gefallen dir wirklich?«
    »Aber natürlich.«
    »Wenn du wüsstest, wie schwer mir die Entscheidung gefallen ist – ich glaube, du wärst überrascht. Aber die Farben,

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