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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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du geblieben? Warum bist du nicht mit ihm zusammen gegangen?«
    »Weil er mich nicht darum gebeten hat. Außerdem sind es meine Freunde.«
    Dieselben Freunde, dachte Skelton, mit denen du früher auf deinen nächtelangen Partys Ecstasy geschluckt hast.
    »Ich hoffe«, sagte Kate, »ihr erwartet nicht, dass ich den ganzen Tag hier rumhänge, nur weil Weihnachten ist.«
     
    Der Tag schleppte sich in zermürbendem Schweigen hin. Der Truthahn war außen trocken und fast verbrannt und innen, an den Knochen, noch rosa und blutig. Alice schaffte die Übergänge von Sherry zu Champagner und Cherry Brandy spielend. Kate verbrachte eine Stunde im Bad, hing ebenso lange am Telefon und teilte dann mit, sie gehe aus, man solle ihretwegen nicht aufbleiben. Als es dunkel zu werden begann, erschien Skelton in seinem marineblauen Jogginganzug und neuen Laufschuhen an der Wohnzimmertür.
    »Trainierst du für irgendwas, Jack?«, erkundigte sich Alice und sah auf. »Vielleicht für die Flucht?«
    Noch ehe die Haustür zufiel, saß sie wieder über ihrem Roman von Barbara Vine.
    Als Skelton beinahe eine Stunde später zurückkehrte, hockte Alice im Dunkeln mit hochgezogenen Beinen auf dem Sofa, das sie nahe ans Feuer geschoben hatte. Sie rauchte eine Zigarette, neben ihr auf dem Boden stand ein Likörglas.
    »Warum sitzt du im Dunkeln?«, fragte Skelton.
    »Es kam ein Anruf für dich«, sagte Alice. »Von der Dienststelle. Keine Eile. Er war nicht von ihr.«
     
    Auf dem Gehweg vor der Polizeidienststelle lagen überall Glasscherben. Krepppapier und Lametta hingen traurig von den Geländern. Im Warteraum hätschelte eine jungeFrau mit rotem Haar, das auf der einen Kopfseite kurz geschoren, auf der anderen streng zurückgeflochten war, einen schwarzen Mischlingshund mit einem stark blutenden verletzten Ohr.
    »Tiernotarzt?«, fragte Skelton den Beamten an der Wache.
    »Jeden Tag außer Weihnachten, Sir.«
    Als Skelton dem Hund zu nahe kam, fletschte er die Zähne und bellte.
    Die Tür zu Resnicks Büro stand offen. Er unterhielt sich mit einer Frau, Skelton schätzte sie auf Anfang bis MitteDreißig. Eine Freundin der jungen Frau, die vermisst wurde, vermutlich. Sah nicht übel aus, ein wenig üppig vielleicht. Lynn Kellogg und Kevin Naylor saßen beide im Dienstraum und telefonierten.
    »Wenn Sie nachher mal eine Minute Zeit haben, Charlie«, rief Skelton von der Tür aus. »In Ordnung?«
    Er kippte gerade entkoffeinierten Kaffee in den Goldfilter seiner neuen Kaffeemaschine, als Resnick anklopfte und eintrat.
    »Also, Charlie, wie sieht’s aus? Für Paniksignale ist es doch wohl noch etwas früh?«
    Resnick wartete, bis der Superintendent das Wasser eingefüllt und die Maschine angeschaltet hatte. Ob das Ding nun neu war oder nicht, der Kaffee würde wie immer unerträglich dünn sein. Als Skelton sich hinter seinen Schreibtisch begeben hatte, setzte sich Resnick und berichtete von Dana Matthiesons Besorgnis um ihre Mitbewohnerin Nancy Phelan.
    »Ist das nicht die Frau, die gestern in diesen Zwischenfall verwickelt war? Phelan?«
    »Im Wohnungsamt? Ja, richtig.«
    »Sie wurde bedroht, nicht wahr?«
    »Ja, könnte man so sagen.«
    »Der Mann, der sie bedroht hat   …«
    »Gary James, Sir.«
    »Den haben wir wieder auf freien Fuß gesetzt.«
    »Gestern Abend, ja.«
    »Spricht irgendetwas dafür, dass er die Hände im Spiel haben könnte?«
    Resnick schüttelte den Kopf. »Bis jetzt nicht.«
    »Die Geschichte im Wohnungsamt, war das etwas Persönliches zwischen den beiden?«
    »Soweit wir wissen, nicht.«
    »Wir scheinen ja gar nichts zu wissen.«
    »Nein, sehr wenig bisher.«
    Skelton ging zur Kaffeemaschine. Der Kaffee war fast durchgelaufen.
    »Schwarz, Charlie?«
    »Ja, bitte.« Als Skelton die Glaskanne hochhob, war Resnick entsetzt: Er konnte mühelos durch das Gebräu hindurchsehen.
    »Sie haben aber auf jeden Fall jemanden zu ihm geschickt, zu diesem James, um ihn zu befragen?«
    »Noch nicht, Sir.«
    Skelton setzte sich wieder. »Hat sie einen Freund?«
    »Nichts Festes im Moment. Sagt jedenfalls ihre Mitbewohnerin. Aber sie hat uns einige Namen genannt. Wir haben schon mit der Überprüfung angefangen.«
    »Familie?«
    »Mit der sind wir in Kontakt.«
    Skelton knetete die Armlehnen seines Sessels. Ihm war vorher nie aufgefallen, wie Alices Blick ihn von diesem Schreibtischfoto aus überall verfolgte. Vorsichtig drehte er sie weg, bis sie nur noch den rußgeschwärzten Backstein der Stadt jenseits des Fensters vor Augen

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