Nebel über dem Fluss
Mal wurden die Fragen besorgter und Danas Antworten vager. Als ihr die Ausreden ausgingen, wurde Mr Phelan direkt. »Ich habe jetzt genug von diesen Ausreden. Ich möchte wissen, was los ist.«
Und Dana rückte damit heraus, dass sie kaum etwas wusste.
»Aber warum zum Teufel haben Sie das nicht gleich gesagt?«
»Ich wollte nicht, dass ihre Mutter sich aufregt.«
»Sagen Sie ihr, sobald sie auftaucht, dass sie uns anrufen soll«, befahl Mr Phelan. »Verstanden?«
Verstanden.
Dana musterte den Truthahn, der den größten Teil des Kühlschranks beanspruchte, und den von Vorräten überquellenden Gemüsebehälter aus schwarzem Plastik. Dann nahm sie eine tiefgefrorene Broccoli-Lasagne, die nur zwei Tage über dem Verfallsdatum war, aus dem Tiefkühlschrank und schob sie in die Mikrowelle. Während sie wartete, schautesie ein halbes Dutzend Mal auf ihre Armbanduhr und auf die Wanduhr in der Küche. Als Nancys Vater sich das nächste Mal meldete, hatte sie das Telefonbuch aufgeschlagen auf dem Schoß und wollte gerade die Notaufnahme des Krankenhauses anrufen.
»Ist das ihre Art?« Mr Phelan versuchte gar nicht mehr, seine Besorgnis zu verbergen. »Ihnen nicht Bescheid zu geben, wo sie sich aufhält?«
»Ich weiß nicht.«
»Sie wohnen mit ihr zusammen, junge Frau.«
»Ja, aber ich meine … Na ja, so häufig kommt es nicht vor, dass …«
»So ganz auf die schiefe Bahn ist sie also nicht geraten, das wird ihre Mutter freuen. Muss ich jetzt wirklich inden Wagen steigen und kommen? Sie nehmen die Sache ja offensichtlich nicht mit dem angemessenen Ernst.«
»Ich glaube wirklich nicht, dass wir uns Sorgen machen müssen. Es ist bestimmt alles in Ordnung.«
»Ach ja? Würde Ihnen diese lockere Einstellung gefallen, wenn Sie nicht nach Hause gekommen wären?«
Dana schwieg. »Ich wollte gerade im Krankenhaus anrufen«, sagte sie dann.
»Gut. Und bei der Polizei, hoffe ich.«
10
Weihnachtsmorgen hin oder her, Jack Skelton hatte seinengewohnten Fünf-Kilometer-Lauf nicht ausfallen lassen wollen und war bereits aufgebrochen, während seine Frau allem Anschein nach noch schlief. Als er leicht verschwitzt zurückkam, begegnete er im Spiegel des Ankleidezimmers ihrem anklagenden Blick.
»Und – habt ihr euch gestern gut amüsiert?«, erkundigte sich Kate beim Frühstück gutgelaunt.
Skelton drückte mit dem Löffelrücken die Weizenflocken in die Tiefe seiner Müslischale; Alice goss sich mit großer Sorgfalt eine Tasse Tee ein.
»Das hätte ich echt gern gesehen«, fuhr Kate fort, unbeirrt vom Schweigen ihrer Eltern. »Wie ihr beide über die Tanzfläche geschwebt seid. Roy Rogers und Fred Astaire in Neuauflage.«
»Sie heißt Ginger –«, begann Alice, ohne einen Hehl daraus zu machen, dass sie schlecht gelaunt war.
»Das weiß sie doch«, sagte Skelton ruhig.
»Warum tut sie dann so …?«
»Merkst du nicht, wenn sie dich auf die Schippe nimmt? Es war ein Scherz.«
»Komischer Scherz.«
»So sind Scherze nun mal.« Kates Augen blitzten boshaft.
»Katie, das reicht«, sagte Skelton.
»Dass du immer so oberschlau sein musst«, sagte Alice.
»Das kommt daher, dass ich so schlaue Eltern habe«, gab Kate zurück.
Alice fuhr von ihrem Stuhl auf und beugte sich über den Tisch, um ihrer Tochter das Lächeln mit einem Schlag aus dem Gesicht zu wischen. Kate starrte sie herausfordernd an, ohne sich zu rühren. Alice nahm Tasse und Untertasse und ging hinaus.
Skelton seufzte kopfschüttelnd.
»War’s nett gestern Abend?«, fragte Kate, diesmal so, als interessierte es sie wirklich.
»Ganz in Ordnung.«
»Aber nicht toll?«
Skelton lächelte beinahe. »Nicht toll, nein.«
»Bei mir auch nicht.«
»Auf der Party, meinst du?«
»Alles so langweilig und vorhersehbar. Erst haben sich die Leute in Rekordzeit betrunken und dann alles vollgekotzt.«
»War Tom auch da?«
Tom war Kates neuester Freund, Student an der Universität, ein echter Senkrechtstarter; in Skeltons Augen eine erfreuliche Abwechslung nach Kates letzter großer Liebe, einem arbeitlosen Grufti, der sich von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet und behauptet hatte, mit dem Teufel auf recht gutem Fuß zu stehen.
»Er war nur kurz da.«
»Habt ihr euch gestritten?«
Kate schüttelte den Kopf. »Er mag solche Partys nicht, seiner Meinung nach sind die Leute alle nur unreife Wichser.«
Skelton schaffte es, nicht auf ihre Wortwahl zu reagieren;zumal es so klang, als wäre Toms Einschätzung ziemlich zutreffend. »Und warum bist
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