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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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rein.«
    Es folgte ein dumpfes Poltern, als ihre Mutter den Hörer weglegte. Lynn trank ihren Tee und lauschte den zornig erhobenen Stimmen irgendwelcher Jugendlicher unten auf der Straße. Einer ihrer Nachbarn hörte Opernmusik, ein junger Mann, der schwarze Rollkragenpullover trug und Lynn ignorierte, wenn sie einander im Treppenhaus begegneten.
    »Er will nicht reinkommen«, sagte ihre Mutter.
    »Hast du ihm gesagt, dass ich es bin?«
    »Ja, natürlich.«
    Der obere Nachbar sang nicht nur mit, jetzt begleitete er den Chorgesang auch noch mit Füßestampfen. »Ich ruf mal bei dem Spezialisten an«, sagte Lynn, »und versuche zu erfahren, wann Dad reinmuss. Wenn ich das weiß, sehe ich zu, dass ich freibekomme. Okay?«
    Sie hörte ihrer Mutter noch einige Minuten zu, bemüht, sie so weit wie möglich zu beruhigen. Nachdem sie den Rest Tee in den Ausguss gekippt und sich frischen eingeschenkt hatte, drehte sie im Bad den Heißwasserhahn auf und goss etwas Kräuterschaumbad in den Strahl. Erst als sie sich in die dampfende Wärme sinken ließ, entspannte sie sich allmählich, und die quälenden Bilder von ihrem Vater lösten sich langsam auf, wenigstens vorläufig.

23
    Resnick hatte die Katzen gefüttert, Kaffee gemacht, ein Stück Hühnerfleisch mit Knoblauch eingerieben und den Saft einer halben Zitrone darübergeträufelt und dann ins Rohr geschoben. Während das Fleisch unter dem Grill lag,öffnete er eine Flasche tschechisches Pilsner und setzte sich damit ins Wohnzimmer, um einen Nachruf auf Bob Crosby zu lesen. Eine der Platten, die sein Onkel, der Schneider, hoch geschätzt hatte, war ›Big Noise from Winnetka‹ von den Bobcats. Ray Bauduc am Schlagzeug und am Bass Bob Haggart, der die Melodie mit Zupfen und Pfeifen begleitete. Wenn Graham Millington je auf das Stück stoßen sollte, würde die ganze Dienststelle Qualen leiden.
    Wieder in der Küche, wendete er das Hühnchen und begoss es mit dem Bratensaft. Er schnitt die letzte Hälfte einer Fleischtomate auf und gab die Stücke zusammen mit ein paar welken Spinatblättern und Chicoree, der es auch nicht mehr lange machen würde, in eine Schüssel, würzte mit ein paar Tropfen Himbeeressig, einem Teelöffel Estragonsenf und großzügig Olivenöl und mischte.
    Er aß am Küchentisch, trank sein Bier dazu und warf Bud immer wieder einmal ein Bröckchen Hühnerfleisch zu. Aber er hatte keine Ruhe, er musste ständig an Robin Hidden denken. Er konnte den Eindruck, den er am Nachmittag von ihm gewonnen hatte, nicht mit der Vorstellung von einem Mann zusammenbringen, den Nancy Phelan attraktiv und anregend genug gefunden hatte, um gern mit ihm ins Bett zu gehen. Es war ein Puzzle, dessen Teile nicht ineinanderpassten.
    Er halbierte das letzte Stück Hühnchen und teilte es mit dem Kater, ehe er, sich die Finger leckend, zum Telefon ging.
    »Hallo, spreche ich mit Dana Matthieson?« Als er ihre Stimme hörte, erinnerte er sich einer großen, eher üppigen Frau mit vollem Haar und einem runden Gesicht. Ein wenig wie Lynn, dachte er, aber auffallender. Farbiger, auch in der Kleidung. »Ja, hier ist Inspector Resnick. Wir haben vor kurzem miteinander gesprochen   … Ich wollte fragen, ob es Ihnen passt, wenn ich auf einen Sprung bei Ihnen vorbeikomme?Vielleicht in einer halben Stunde?   … Ja, gut, danke. Ja, ich weiß, wo das ist   … Ja, Wiedersehen.«
     
    Dana hatte gebügelt, bis es ihr zu langweilig geworden war, und jetzt lagen Blusen, Baumwollhemdchen und farbenfrohe Hosen über Arm- und Rückenlehnen von Sesseln und Stühlen ausgebreitet und die noch ungebügelte Wäsche in einem losen Haufen auf dem Brett. Im Fernsehen lief, mit leise gedrehtem Ton, ein Film mit James Belushi, der sich durch jede Menge Autojagden und mindestens einen Riesenhund auszeichnete. Alle fünf Versionen des Kündigungsschreibens an das Architekturbüro Andrew Clarke und Partner, das sie abzufassen versucht hatte, hatte sie zerrissen und in Fetzen auf dem Tisch mit der Glasplatte liegen gelassen.
    Sie hatte schon einiges getrunken, eine Flasche Shingle Peak Neuseeland Riesling, als Resnick anrief, und konnte ihm, als er kam, gerade noch ein Glas anbieten. Notfalls, dachte Dana, obwohl sie nicht glaubte, dass es dazu kommen würde, konnte sie immer noch eine zweite Flasche öffnen.
    Resnick legte seinen Mantel ab und setzte sich nach einem kurzen Austausch von Höflichkeiten in den angebotenen Sessel. Danas Gesicht war voller, als er es in Erinnerung gehabt hatte, um die

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