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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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veranlasst, sie zu ermahnen, besonders vorsichtig zu sein, die Tür oben und unten zu verriegeln und vor dem Zubettgehen die Fensterschlösser zu prüfen. Ihre Mutter sah in jeder Stadt, die größer war als Norwich, eine Brutstätte schlimmster Gefahren, in der alles vorkommen konnte, was sie je über New York und New Orleans zusammen gelesen hatte. Jetzt aber antwortete ihr nur dumpfe Stille. Von draußen hörte sie gedämpft das Geräusch eines anspringenden Autos. Sie überlegte, ob sie sich einen Moment entschuldigen konnte, um den Tee einzuschenken.
    »Lynnie, ich finde, du solltest heimkommen.«
    »Mama   …«
    »Ich brauche dich hier.«
    »Ich war doch erst vor ein paar Tagen da.«
    »Ich weiß nicht mehr weiter.«
    Lynn unterdrückte beinahe erfolgreich einen Seufzer.
    »Es geht um deinen Dad.«
    »Ach, Mama   …«
    »Du weißt, dass er einen Termin im Krankenhaus hatte   –«
    »Ja, morgen.«
    »Er wurde geändert, der Termin wurde geändert. Sie haben ihn angerufen und es ihm gesagt. Er war schon dort. Gestern.«
    »Und?«
    Dem Zögern ihrer Mutter entnahm sie das Schlimmste, fand es in ihren Worten bestätigt. »Er muss noch einmal hin. Zu einer weiteren Untersuchung.« Ich will das nicht wissen, dachte Lynn. »Nur der Gründlichkeit halber, hat der Arztgesagt. Nur um sicherzugehen, dass er nicht – ach, du weißt schon, dass er nicht das hat, was sie dachten   …«
    »Mama!«
    »Sie vermuteten, seine ganzen Probleme mit dem Essen und der Verdauung und so, könnten von einem Tumor im Darm kommen.«
    »Und es ist keiner?«
    »Kein was?«
    »Es ist kein Tumor? Haben sie gesagt, dass es kein Tumor ist? Oder sind sie sich immer noch nicht sicher?«
    »Deswegen muss er ja noch mal hin.«
    »Sie sind also nicht sicher?«
    »Lynnie, ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    »Im Moment kannst du gar nichts tun, Mama. Erst müssen wir Sicherheit haben.«
    »Kannst du nicht herkommen?«
    »Was? Jetzt?«
    »Lynnie, er redet nicht, er isst nichts, er sieht mich nicht mal an. Wenn du hier wärst   –«
    »Mama, ich war doch gerade erst da. Vor ein paar Tagen. Er hat auch mit mir kaum gesprochen.«
    »Dann kommst du also nicht?«
    »Ich weiß nicht, wie ich das hinkriegen soll.«
    »Er braucht dich, Lynnie. Und ich brauche dich auch.«
    »Mama, es tut mir leid, aber im Augenblick ist es schwierig   –«
    »Glaubst du, für uns ist es einfach?«
    »Das sag ich ja gar nicht.«
    »Nein, du sagst nur, dass dein Vater nicht wichtig genug ist.« Lynn merkte, dass ihre Mutter den Tränen nahe war.
    »Du weißt, dass das nicht stimmt«, sagte Lynn.
    »Dann fahr mit ihm ins Krankenhaus.«
    Lynn drückte den Telefonhörer an ihre Stirn.
    »Lynnie   …«
    »Ich schau mal, was sich machen lässt. Ich verspreche es dir. Aber du weißt doch, wie das mit Krankenhäusern ist, das dauert immer alles ewig.«
    »Nein, der Spezialist, bei dem dein Vater war, hat gesagt, es muss schnell gehen. Er möchte ihn sobald wie möglich noch einmal sehen. In den nächsten Tagen, hat er gesagt.«
    Dann ist es ernst, dachte Lynn. »Hast du den Namen dieses Spezialisten?«, fragte sie.
    »Er ist bestimmt irgendwo aufgeschrieben, keine Ahnung, ich schau mal nach, ob ich was finde, wenn du   …« Sie hörte ihre Mutter in den Zetteln kramen, die sich immer neben dem Telefon stapelten. »Mama, ruf mich einfach zurück, okay? Sobald du den Namen gefunden hast. Also, bis gleich.«
    Lynn war kalt. Die kleine medizinische Fibel, die neben dem Konversationslexikon und einer Handvoll Taschenbüchern im Regal stand, klappte beinahe genau an der Stelle auf, die sie suchte: Die alternative Bezeichnung für Darmkrebs lautete kolorektales Karzinom. Es trat am häufigsten bei Männern zwischen sechzig und achtzig auf. Fünfzig Prozent der kolorektalen Karzinome sind im Rektum lokalisiert. Sie ließ das Buch zu Boden fallen. In der Küche goss sie einen Rest Milch weg, der sauer roch, und versuchte, einen neuen Karton zu öffnen, ohne dass ihr die Milch über die Finger spritzte. Sie gab einen Löffel Zucker in den Becher und dann noch einen. Rührte um. Zwei schnelle Schlucke, dann ging sie mit dem Becher in der Hand zum Telefon zurück.
    Als ihre Mutter wieder anrief, war sie in Tränen.
    Lynn ließ sie erst einmal ein Weilchen weinen, ehe sie fragte, ob sie den Namen des Arztes gefunden habe. Sie ließ ihn sich buchstabieren.
    »Ist Dad da?«, fragte sie dann.
    »Ja.«
    »Gib ihn mir doch mal.«
    »Er ist draußen in den Ställen.«
    »Ruf ihn

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