Nebel ueber Oxford
beruflich eine völlig unzuverlässige Person gewesen wäre, hätte sie nie und nimmer die Chance vertan, mit Blake allein zu reden. Oder nur, wenn ihr ein echter Notfall dazwischengekommen wäre.
»Sie wohnt in Headington. Also setzte ich mich auf mein Fahrrad und fuhr hin. Gott, hätte ich das bloß nicht getan!« Er nahm noch einen großen Schluck Whisky, und Kate fragte sich, ob sie ihm nicht mehr Wasser hätte geben sollen, als er nicht aufpasste. Wenn die Polizei ihn noch einmal verhören wollte, wäre sie von seinem Zustand sicher nicht begeistert.
»Soll ich uns einen Kaffee machen?«, fragte Kate. Obwohl sie darauf brannte, seinen Bericht zu hören, schreckte ein Teil von ihr vor den blutigen Details zurück.
»Wollen Sie mich wieder ausnüchtern?« Sein Lächeln wirkte wie eine verzerrte Grimasse. »Lieber nicht. Der Whisky Ihres Freundes isoliert mich so angenehm von der Wirklichkeit. Wie ich sehe, habe ich schon eine ganze Menge von dem Zeug intus. Ich besorge Ihnen eine neue Flasche, ehe Ihr Freund heimkommt.«
Kate brühte sich einen Kaffee auf und setzte sich wieder zu Blake ans Fenster. Er fuhr mit seinem Bericht fort, als wäre er nicht unterbrochen worden.
»Ich klingelte unten an der Haustür. Unter normalen Umständen hätte Candra über die Gegensprechanlage gefragt, wer da ist, und dann den Summer betätigt. Aber ich bekam keine Antwort. Also drückte ich den Knopf, mit dem der Briefträger ins Haus kommt, betrat die Eingangshalle, ging nach oben und klingelte an ihrer Wohnungstür. Wieder nichts. Ich versuchte durch den Briefschlitz zu schauen, konnte aber nichts sehen. Doch ich hatte irgendwie das Gefühl, dass die Wohnung leer war. Ich ging wieder nach unten und sah mich draußen um. Hinter den Häusern befindet sich ein Wirtschaftshof, Sie wissen schon: Wäscheleinen und Mülltonnen, aber alles vor den Blicken von Besuchern verborgen. Und dort habe ich sie gefunden. Sie lag auf einem Rasenstück neben den Mülltonnen.« Ihn schauderte.
Ja, dachte Kate, das war eine bemerkenswert unpassende Stelle, um sein Leben zu beenden – vor allem für jemanden, der so sauber und ordentlich war wie Candra.
»Sie war in Schlafanzug und Morgenmantel, und sie hatte einen Pantoffel verloren.«
Kate musste an die immer sorgfältig frisierte, korrekt gekleidete Candra denken.
»Überall war Blut und … anderes Zeug«, berichtete Blake weiter. »Ich hätte Candra nicht erkannt, wenn ich nicht genauer hingeschaut hätte.«
»Haben Sie eine Vorstellung davon, was passiert sein könnte?«
»Sie lag wohl schon einige Zeit dort. Der Polizist, der meine Aussage zu Protokoll nahm, fragte mich danach, was ich letzte Nacht und heute Morgen getan hätte. Aber das gehört vermutlich zur Routine.«.
Blake drückte seine Zigarette aus, dann fuhr er fort.
»Eigentlich mochte ich sie nicht einmal besonders. Sie konnte einem ganz schön auf die Nerven gehen. Die anderen haben sie oft aufgezogen, nur um zu sehen, wie verklemmt sie reagiert. Ich weiß, wie sehr sie es hasste, Candy genannt zu werden, aber ich tat es, um sie zu necken. Wir hätten netter zu ihr sein können. Wirklich viel netter.«
»Nachdem jemand gestorben ist, sind solche Gedanken völlig normal.«
»Sie kommen aber zu spät.«
»Glauben Sie, dass Candra von den Tierschutz-Aktivisten ermordet wurde – so wie Kerri?«
»Es wäre ein allzu merkwürdiger Zufall, wenn jemand anders sie getötet hätte, finden Sie nicht? Zunächst waren es nur die Schikanen, dann Kerri und jetzt Candra.«
»Mir erscheint diese Erklärung irgendwie zu bequem«, sagte Kate langsam.
»Aber die Antwort, die sich zuerst aufdrängt, ist oft richtig, meinen Sie nicht? Die meisten Verbrecher sind alles andere als schlau oder gerissen, ganz gleich, wie viele clevere Kriminalromane man über sie schreibt.«
»Schon möglich.«
»Und wenn es nicht die Tierversuchsgegner waren, wer käme sonst infrage?«
»Ich glaube, wir müssen erst herausbekommen, warum Candra getötet wurde, ehe wir etwas dazu sagen können, wer sie getötet hat. Das Gleiche gilt für Kerri. Sie dürfen Kerri nicht vergessen!«
»Ich dachte, es läge auf der Hand, dass Candra wegen ihres Berufs umgebracht wurde. Weil sie zu uns gehörte und weil sie im Labor gearbeitet hat. Jeder, der bei uns jobbt oder in irgendeiner Weise mit uns zu tun hat, scheint Freiwild zu sein.«
»Auch Kerri?«
»Natürlich. Kerri ebenfalls. Sie hat Conor oft bei den Tieren geholfen. Sie vertrat den Standpunkt, dass es
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