Nebelflut (German Edition)
paar Pillen, mit denen er sich momentan über den Tag brachte, halfen ihm jetzt gerade kein Stück weiter.
»Mein Partner hat Sie etwas gefragt.« McCarthy lehnte noch immer auf dem Tisch und blickte Patrick unverwandt an. »Haben Sie sich selbst auf Spurensuche begeben? Haben Sie diesen Mann auf seiner Farm entdeckt und Ihre eigenen Schlüsse gezogen?«
»So ein Unsinn. Ich gehe doch nicht einfach los und bringe jemanden um.«
»Wie kommt Ihre Visitenkarte dann an den Tatort?«
»Finden Sie es heraus, das ist doch schließlich Ihr Job!« Patrick sah die beiden Polizisten an, die sich einen vielsagenden Blick zuwarfen. Vielleicht war seine ungehaltene Reaktion für sie schon so etwas wie ein Schuldeingeständnis. Er versuchte, sich zusammenzureißen.
Callahan setzte sich wieder und zog ein weiteres Bild aus seiner Mappe. »Waren Sie schon einmal in diesem Haus?«
Patrick betrachtete das Foto. Es zeigte eine Farm, die einen verfallenen Eindruck auf ihn machte. Das Wetter hatte dem alten Mauerwerk sichtlich zugesetzt, das Dach war an einigen Stellen notdürftig geflickt. Zierliche Blumenkästen vor den Fenstern bildeten einen auffälligen Kontrast zum restlichen Zustand der Behausung. »Wurde Amy dort festgehalten?«, hörte er sich selbst fragen.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Ich dachte, weil Sie … Es hätte doch möglich sein können!«
»Sagen Sie es uns. Wir hatten keine Gelegenheit, mit dem Bewohner zu sprechen.«
Patrick schloss die Augen. »Ich auch nicht.«
»Wo waren Sie in der Nacht vom fünfundzwanzigsten auf den sechsundzwanzigsten Dezember, Mister Namara?«
»Bei meinen Eltern in Glencullen.«
»Die ganze Nacht über?«
Er dachte an seinen kleinen Ausflug zurück, als er nicht hatte schlafen können. Er war aus dem Haus getreten und hatte gleich die düstere Beklemmung verspürt, die vom nahen Waldrand ausging. Die Bäume schienen ihn anzustarren, ihn gleichermaßen zu locken und fortscheuchen zu wollen … »Ja, natürlich. Ich war die ganze Zeit über dort. Das können Sie sich gern von meiner Familie bestätigen lassen.«
McCarthy schnaufte verächtlich. »Ihre Familie, natürlich.«
»Nehmen Sie doch meine Fingerabdrücke. Überzeugen Sie sich selbst, dass ich nicht auf dieser Farm war.«
»Sie halten sich für verdammt gerissen, was?« McCarthy sah Callahan an und dieser fuhr fort.
»Wir haben Maisstärkepuder am Tatort gefunden. Das Zeug, mit dem Latexhandschuhe bestäubt werden. Aber das muss ich Ihnen als Arzt wohl nicht erklären.«
Patrick schüttelte den Kopf. »Diese Handschuhe sind frei verkäuflich.«
»Sie müssen trotzdem zugeben, dass die ganze Sache reichlich merkwürdig ist.«
»Das ist aber nicht meine Schuld!«
Callahan maß ihn mit einem Blick, den Patrick nicht deuten konnte, aber er widersprach nicht.
Patrick nutzte die Gelegenheit, um zu fragen, was ihn schon die ganze Zeit über beschäftigte. »Haben Sie in diesem Haus irgendwas gefunden, das auf Amy hindeutet? Wissen Sie, ob sie dort war?«
Ein winziges, unsicheres Flackern im Blick des Polizisten. »Bedaure.« Wieder begann er zu tippen. »Wir werden Ihre Eltern kontaktieren und Ihr Alibi überprüfen.«
»Reicht es nicht, wenn Sie mit meiner Frau sprechen? Meiner Mutter geht es nicht besonders.«
»Das tut mir leid«, gab Callahan zurück und ließ seine Frage unbeantwortet. »Sie können dann erstmal gehen. McCarthy? Übernimmst du das?«
»Kommen Sie, Doktor.« Der Jüngere richtete sich auf und wandte sich ruckartig ab. Er war offensichtlich nicht überzeugt von Patricks Aussage und Patrick konnte es ihm nicht verübeln.
-13-
Als Brady zurückkam, war es fast Mitternacht. Immer, wenn ein Mord geschah, war es, als würden die regulären Arbeitszeiten für die Mordkommission von einer Sekunde auf die andere komplett ausgehebelt werden.
Sean hatte offenbar schon Material von der Spurensicherung und aus der Gerichtsmedizin bekommen und war dabei, alles an ein Flipchart zu pinnen, was für den Fall relevant sein könnte. Tatortfotos und alte Fakten aus Amy Namaras Akte, einen Grundriss der Farm sowie Fotografien des Nachthemds und des Teddybären.
»Hat Namara noch was gesagt?« Sean heftete das Foto einer undefinierbaren Wunde in Großaufnahme an die Wand, gleich neben das Bild der kleinen Namara.
Brady betrachtete ihr Foto genauer. Ein junges Mädchen mit wachen, braunen Augen und sehr dunklem, fast schwarzem Haar schaute in die Kamera. Sie lächelte nicht, vielmehr blickte sie neugierig in die
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