Nebelflut (German Edition)
Mann klären. Aber nicht zwischen Tür und Angel.«
»Sie können ihn doch nicht einfach mitnehmen, ohne uns überhaupt zu sagen, was los ist!«
»Wir nehmen ihn ja auch nicht einfach mit. Wir bitten ihn höflich, uns zu begleiten.«
Patrick entging der scharfe Unterton in McCarthys Stimme nicht und er spürte, wie seine Frau neben ihm die Schultern straffte.
»Schon gut, Grace.« Er nickte den Beamten zu. »Ich komme mit.« Er wandte sich ab, um seine Jacke von der Garderobe zu nehmen.
»Was, aber–« Grace stellte sich ihm in den Weg. »Du weißt doch gar nicht, was Sache ist.«
»Es geht um Amy, das sagen Sie doch.« Patrick zog seine Jacke über und schob seine Frau aus dem Weg. Egal, warum die zwei Polizisten so geheimnisvoll taten; wenn es Neuigkeiten von seiner Schwester gab, musste er Genaueres wissen.
-12-
Der Raum, in den die beiden Polizisten Patrick gebracht hatten, war karg und unbeheizt, die Wände nackt. Es gab lediglich einen Tisch, zwei Stühle und einen alten Computer mit Röhrenmonitor, der geduldig vor sich hin summte.
Auf einem der Stühle nahm Callahan Platz, den anderen wies er Patrick zu. Während er sich setzte, schloss McCarthy die Tür hinter ihnen, kam ebenfalls zum Tisch und stützte sich mit beiden Händen auf der rissigen Platte ab.
Der Ältere der beiden Polizisten belehrte Patrick über seine Rechte, doch er hörte nur halbherzig hin. Er war nervös und fragte sich, was die Wichtigtuerei sollte.
»Wieso sagen Sie mir nicht endlich, worum es geht?«
Anstatt gleich zu antworten, öffnete Callahan eine dünne Mappe und legte ihm ein Foto vor. »Haben Sie diesen Mann schon einmal gesehen?«
Patrick beugte sich vor und betrachtete das Bild. Zu spät realisierte er, dass der Mann darauf tot war und so traf ihn der Anblick gänzlich unvorbereitet. Tiefe Schnitte in seiner Stirn und den Wangen waren grob und notdürftig zugeklebt worden, um die Mimik wiederherzustellen. Reste von getrocknetem Blut klebten im ungepflegten Vollbart des Toten. Seine Augen waren geöffnet, die Iris auf beiden Seiten von Einblutungen rot gefärbt. Patrick bemühte sich, das malträtierte Gesicht mit der Kühle eines Mediziners zu betrachten, doch es fiel ihm schwer und er musste einen Anflug von Übelkeit herunterschlucken. »Nein, tut mir leid.«
»Sind Sie sicher? Sehen Sie genau hin.« McCarthy schien sich nur schwer beherrschen zu können.
»Ganz sicher.« Er blickte auf. »Wer soll das sein? Ein Patient von mir?«
»Nun …« Callahan tippte ein paar Sätze in den Computer, dann griff er in die Innentasche seiner Jacke und zog einen kleinen Plastikbeutel hervor. »Zumindest haben wir Ihre Visitenkarte dort gefunden, wo dieser Mann getötet wurde.« Er legte Patrick den Beutel vor, darin steckte tatsächlich eine Karte von ihm. Die weiße Pappe war blutverschmiert und hatte sich gewellt, aber sein Name, die Adresse seiner Praxis und seine Telefonnummer waren deutlich zu erkennen. Was hatte das zu bedeuten? Patrick schüttelte den Kopf, er wusste nicht, was er dazu sagen sollte.
»Haben Sie die Karte dort verloren, als Sie den Mann umgebracht haben?«, preschte McCarthy vor. »Sie sollten bei Ihrem Rachefeldzug vielleicht besser auf Ihre Hosentaschen achten.«
»Rachefeldzug?« Patrick bemerkte, dass Callahan seinem Kollegen einen tadelnden Blick zuwarf. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.«
»Wirklich nicht? Das wäre ein komischer Zufall.« Callahan stand auf und machte ein paar schwere, erschöpfte Schritte durch den Raum.
»Würden Sie bitte aufhören, in Rätseln zu sprechen?« Patrick fühlte sich immer unwohler. Stück für Stück wurde ihm klar, was hier lief. Was hatte er auch geglaubt? Dass man ihn in einen Verhörraum bringen würde, nur um ihm mitzuteilen, dass ein weiteres Kleidungsstück seiner Schwester gefunden worden war?
»Sie möchten, dass wir deutlicher werden? Also gut.« Callahan wandte sich ihm zu. »Heute, nur zwei Tage nachdem wir Sie über den Fund von Amys Sachen informiert haben, wurde am Flusslauf des Camac eine abgelegene Farm gefunden. Im Geräteschuppen lag die Leiche dieses Mannes, allem Anschein nach gefoltert und erschlagen. Und im selben Raum fanden wir die Visitenkarte, die Sie da vor sich sehen. Glauben Sie an Zufälle, Mister Namara?«
Patrick hatte wieder einmal das Gefühl, nicht richtig atmen zu können. Sein Puls raste und er verfluchte sich dafür, während der letzten Tage auf sein bewährtes Beruhigungsmittel verzichtet zu haben. Die
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