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Nebelflut (German Edition)

Nebelflut (German Edition)

Titel: Nebelflut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine d’Arachart
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befand. Er notierte, was er bereits wusste. Es gab zwei Tote, einen Mann und eine Frau, Namen unbekannt. Dazu kamen Patrick Namara und seine verstorbene Schwester sowie zwei Brüder, die ebenfalls namenlos waren. Brady verband Amy Namara mit Patrick Namara und diesen wiederum mit den beiden Toten. Dann verband er Toby und Nate miteinander und ebenfalls mit den Toten. Er beschriftete die Striche und betrachtete das Bild genauer. Nun hatte er zwei Geschwisterpaare, die beide mit den Verstorbenen in irgendeiner Verbindung standen. Seltsam.

-50-
    Den Sonntag verbrachte Patrick damit, auf dem Sofa zu liegen und sich wie ein Verlierer zu fühlen, sich zuzudröhnen und sich deshalb noch mehr wie ein Verlierer vorzukommen. Der Stoff war mittelmäßig, man brauchte viel Pulver für eine spürbare Wirkung. Das Koks betäubte seinen Mund und seinen Hals, sodass er kaum noch schlucken konnte, es lief ihm als bittere Masse den Rachen herunter. Manchmal, in seinen cleanen Phasen, benutzte er Nasenspray, nur um dieses Gefühl zu imitieren. Aber im Moment war er nicht clean, ganz und gar nicht. So stark hatte er nicht mehr konsumiert, seit er vor zwölf Jahren, während seines Studiums, mit dem Kokain begonnen hatte. Damals war es ihm wie der perfekte Ausweg aus den quälenden Gedanken erschienen, die ihn immer wieder vom Lernen ablenkten. Doch dann hatte er Grace kennengelernt und gewusst, dass sie nie davon erfahren durfte. Sie war ihm so anständig, so rechtschaffen vorgekommen, dass er seine dunkle Seite um jeden Preis vor ihr verbergen wollte. Er hatte seinen Konsum eingeschränkt, hatte manchmal monatelang gar nichts genommen und nur zu seinen Vorräten gegriffen, wenn das Gefühl von Schuld wieder mal besonders schlimm wurde.
    Er öffnete die Augen und richtete sich auf. Der Raum wurde von der Sonne, die jenseits des Gartens über dem Ozean unterging, in scharlachrotes Licht getaucht. Das war ein seltener Anblick, denn vor allem im Winter war der Sonnenuntergang hier meist nicht mehr als ein gelblich-grauer Schein am wolkenbedeckten Himmel. Abende wie diesen hatten Grace und er immer als etwas Besonderes empfunden. Wie viele andere Paare hatten sie sich dann ein ruhiges Plätzchen gesucht und dem Schauspiel am Himmel zugesehen. Heute allerdings beunruhigte Patrick die erschreckende Klarheit der untergehenden Sonne und sie schien etwas Unheilvolles an sich zu haben. Unheil, ja, das war wohl das richtige Wort. Er war ein Verlierer und seine Frau eine Schlampe, seine Schwester war tot und er trug die Schuld.
    Er schwang die Beine vom Sofa, brachte sich mühevoll in eine aufrechte Position. Als er sich gerade eine weitere Line genehmigen wollte, sah er die Tasse, die auf dem Tisch stand. Der Tee darin dampfte noch. Sophie musste hier gewesen sein, ohne dass er sie bemerkt hatte. Sie musste die Drogen gesehen haben. Was sie wohl über ihn dachte? Er ignorierte die Tasse und schob das weiße Pulver auf dem Tisch zusammen, den Rest von weiteren fünf Gramm. Jemand lief durchs Zimmer. Patrick schrak auf und nahm einen Schatten wahr, der durch die Terrassentür verschwand und sogleich mit dem Sonnenuntergang verschmolz.
    Schwerfällig erhob er sich, schwankte gegen den Wohnzimmertisch, hörte ein Poltern und spürte, wie warmer Tee sein Hosenbein durchnässte. Es roch nach frischem Pfefferminz, nein, eher nach etwas altem, verrottendem. Es roch nach Fleisch und Knochen. Er wandte sich ab und wankte in Richtung Tür. Hinter ihm waren Schritte, jemand folgte ihm, schnelles Getrippel, vielleicht ein Kind. Er drehte sich um und erkannte Amy. Sie trug ein schmutziges Nachthemd, machte schnelle, behände Schritte auf ihn zu und streckte die Hand nach ihm aus.
    Ich kann nicht schlafen, Paddy. Der schwarze Mann ist in meinem Zimmer. Sie tänzelte durch ihn hindurch, glitt leichtfüßig wie eine Fee die Stufen hoch. Er wollte ihr hinterher, wollte seine Knarre holen und den schwarzen Mann für sie erledigen. Auf der Treppe geriet er ins Straucheln, fiel, schlug sich das Knie auf. Was machte er hier nur? Auf den Stufen war Blut, vielleicht war es das von Amy. Ihre Zähne konnten nicht verraten, wie sie gestorben war, sie verrieten gar nichts. Vielleicht hatte man sie mit einem Torfstecher erschlagen, vielleicht hatte man ihr das Hirn aus dem Kopf geschossen. Er rappelte sich auf, hastete die Treppe hoch. Die Übelkeit wurde schlimmer, als ob jemand seinen Magen zusammendrückte wie eine reife Frucht, aus der man den Saft pressen wollte.

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