Nebelflut (German Edition)
in dem sowohl die Opferbilder als auch die Fotos der Simmons gezeigt wurden, hatte bisher nicht viel nach sich gezogen; was vielleicht daran lag, dass es Sonntag war und sich die Menschen lieber ihren Familien und Hobbys als der Mordermittlung widmeten. Es kamen zwar einige Hinweise rein, jedoch war keiner davon brauchbar. Diesmal waren die Simmons vorsichtiger und auch die beiden Opfer schienen weder Freunde noch Familie zu haben. Genau wie die Brüder waren sie Gespenster.
Der Computer piepste und Brady bewegte den Mauszeiger, um den Bildschirmschoner zu verdrängen und sich das Ergebnis des Datenabgleichs anzusehen. Er hatte die Suche mit den Opfern begonnen – vergeblich. Der Bildschirm präsentierte ihm zwei Worte: »No Results«.
Brady schüttelte den Kopf. Er musste die ganze Sache anders angehen. Immer wieder die Datenbank nach zwei vermissten Mittvierzigern im Raum Dublin County innerhalb der letzten zwei Wochen zu durchforsten war sinnlos. Und wenn er die Suche ausweitete? Er gab weniger Suchkriterien ein: Geschlecht, Augenfarbe und Land.
Wieder dauerte es eine halbe Ewigkeit, bis der Computer ein Ergebnis ausspuckte: »Specify research criteria«.
»Verdammt!« Brady schlug auf die Tastatur, was dem Computer ein protestierendes Piepsen entlockte.
Also gut. Was wusste er, das er für die Suche benutzen konnte? Alter, Geschlecht, Land, Augenfarbe. Die getötete Frau hatte braune Augen gehabt. Große, braune Augen, wie Amy Namara. Weiter. Was wusste er noch? Die Haarfarben der Getöteten. Brady zog die Akten der beiden hervor und studierte die Obduktionsberichte. Nirgends fand er einen Hinweis darauf, dass die beiden gefärbte Haare gehabt hätten. Also schön.
Brady gab alles in die Suchmaske ein, ließ das Feld »Alter zum Zeitpunkt des Verschwindens« frei und grenzte stattdessen das Alter ein, das die Vermissten zum heutigen Zeitpunkt haben mussten. Dann wartete er.
Diesmal dauerte es nicht allzu lange, bis der Computer ihm ein paar Ergebnisse anbot. Er scrollte die Liste herunter und begutachtete jedes Foto genau. Als er nicht fündig wurde, ersetzte er die Suchkriterien, gab die Merkmale des toten Mannes ein. Als auch dies nicht zum Erfolg führte, wiederholte er das ganze Prozedere mit Nate Simmon. Keiner der Vermissten passte.
»Ein letzter Versuch …« Brady stellte Toby Simmons Augenfarbe ein, seine Haarfarbe, sein Geschlecht. Dann klickte er »Irland« an und startete die Suche. Gebannt starrte er auf den Bildschirm, während die Anzahl der Suchergebnisse langsam wuchs. Nacheinander wurden ihm sechs Steckbriefe angezeigt. Zwei davon konnte er direkt ausschließen. Die Vermissten auf den Fotos waren zu alt, um Toby Simmon zu sein. Er öffnete den Link zu einem kleinen Jungen und überflog den Text. Der Junge war im Alter von vier Jahren verschwunden und vermutlich von seinem Vater ins Ausland entführt worden. Dies war allerdings erst drei Jahre her.
Der zweite Steckbrief führte ihn zu einem Säugling, der kurz nach seiner Geburt aus einem Krankenhaus in Belfast verschwand. Der kleine David Mahony war an Gelbsucht erkrankt gewesen und noch während der Behandlung aus dem Brutkasten entführt worden. Nicht auszudenken, was die Eltern des Kleinen für Höllenqualen durchleben mussten. Er betrachtete das Bild genauer. Es zeigte ein schlafendes Kind mit gelblicher Haut. Das wenige Haar des Jungen war hellblond und aus dem Steckbrief entnahm er, dass er hellblaue Augen hatte. Brady wusste, dass diese äußerlichen Merkmale noch nichts zu bedeuten hatten, dass sie nur temporär sein konnten. Der Junge war am 07.08.1997 geboren worden. Demnach müsste er nun fünfzehn Jahre alt sein. Unwillkürlich baute sich Toby Simmons Bild vor seinem inneren Auge auf. War es möglich, dass der Junge erst fünfzehn war und nicht neunzehn, wie Nate behauptete?
Brady schüttelte den Kopf. Seine Gedanken liefen in eine falsche Richtung. Zum Zeitpunkt der Entführung musste Nate zwölf oder dreizehn gewesen sein. Er hatte sicher weder die kriminelle Energie besessen, ein Baby zu entführen, noch die Kenntnisse, ein Neugeborenes zu versorgen. Er zog schon wieder voreilig Schlüsse. Gott sei Dank war Sean nicht hier, um ihn zu ermahnen.
Brady rief den dritten Steckbrief auf, doch der Junge auf dem Foto hatte so gar keine Ähnlichkeit mit Toby und auch der vierte Vermisste war nicht Toby. Frustriert schloss Brady das Programm, stand auf und ging zu dem Flipchart, das sich dem Fenster gegenüber in seinem Büro
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