Nebelfront - Hinterm Deich Krimi
gegrüßt. Immer
freundlich. Aber sonst ist er jedem Gespräch ausgewichen. Hier scheint es so zu
sein, dass die Menschen alle sehr freundlich sind, aber niemandem ein Gespräch
aufzwingen. Der Pastor von der Kirche da drüben konnte mir nicht weiterhelfen.
Dafür habe ich den Wirt vom Landgasthof gesprochen. Der ist …«, Große
Jäger drehte sich um die eigene Achse und zeigte dann auf den Deich, über den
sie gekommen waren, »… da drüben. Die haben die Gaststätte geschlossen und
betreiben jetzt nur noch das Hotel, für dessen Gäste sie auch Essen anbieten.
Der Gasthof hat seine Parkplätze quer zum Haus oben auf dem Deich. Dem Wirt ist
aufgefallen, dass dort gestern Abend ein Auto geparkt hat, das keinem Gast
gehörte.«
»Gestern Abend?«
Große Jäger nickte. »Ja. So gegen halb zehn. Du wirst erstaunt sein.
Der Wirt hat einen Opel gesehen.«
»Was soll das heißen?«
»Das Auto war dem Wirt unbekannt. Er hat es hier noch nie gesehen.
Und solche Leute verfügen im Allgemeinen über eine gute Beobachtungsgabe.«
»Hat er sich das Kennzeichen gemerkt?«
»Dazu gab es keine Veranlassung. Es war aber ein hiesiges.« Große
Jäger sah Christoph aufmerksam an. »Verstehst du nicht?«
»Ich würde daraus nicht unbedingt einen Zusammenhang ableiten. Opel
ist schließlich keine exotische Automarke. Und nur, weil Lenny nachts einen
Opel gesehen haben will, muss es nicht unbedingt einen Zusammenhang geben. Das
ist mir zu vage.«
Große Jäger stöhnte auf. »Das wäre aber praktisch, wenn Grabschänder
und Mörder identisch wären.«
»Nenne mir die Motive für beide Taten«, gab Christoph zu bedenken.
»Und um das Bild abzurunden: Wenn der Täter keine Rentner erschlägt oder Gräber
schändet, steigt er über Baugerüste in Wohnungen ein.«
»Ach, du kannst mich mal …«
»Der Ansatz ist gut«, versuchte ihn Christoph zu beruhigen. »Was für
ein Opel-Modell hat der Wirt gesehen?«
»Einen Kombi.«
»Genauer!«
»Daran mangelt es. Es war dunkel, und euer Bürgermeister scheint
nach der Tagesschau die Straßenbeleuchtung zu dimmen. Es war jedenfalls ein
Opel Kombi. Aus der Region. Auch die Farbe konnte er nicht genau angeben.
Dunkelweiß. Beige. Gelb. Hellgrau. Irgend so was.«
»Natürlich werden wir diese Spur verfolgen«, erklärte Christoph.
»Hatte Schierling eigentlich ein Auto?«
Sie prüften es. Auf den alten Mann war kein Fahrzeug zugelassen.
Dr. Hinrichsen hatte kurz mit Klaus Jürgensen gesprochen,
Christoph und Große Jäger gegenüber noch einmal seine Vermutung bestätigt und
sich dann auf den Weg zurück nach Husum gemacht.
Große Jäger sah dem Mercedes hinterher.
»Hoffentlich wäscht der sich gründlich die Hände. Als Patient würde
ich mich unbehaglich fühlen, wenn mich der Doc untersuchen würde, nachdem er
zuvor eine Leiche betatscht hat.«
Christoph unterdrückte die Erwiderung, dass Dr. Hinrichsen sich
mit Sicherheit öfter die Hände waschen würde als der Oberkommissar. Und nicht
nur die Hände.
Sie warteten noch eine Weile, bis Hauptkommissar Jürgensen erschien.
»Ihr hattet recht«, sagte er. »Im Kleiderschrank haben wir den
Arzneivorrat des Toten gefunden. Viele Präparate, die man bei älteren Leuten
erwarten kann. Und … Marcumar.«
»Gibt es sonst Auffälligkeiten?«
»Wenn ihr es als Besonderheit erachtet, dass wir im Schrank Geld
gefunden haben. Fast tausend Euro. Die lagen offen im Fach, sodass ein Täter
sie sofort hätte entdecken müssen. Sonst gab es nichts Wertvolles. Kein
Schmuck, keine Kunstgegenstände, zwei Sparbücher über insgesamt neuntausend
Euro, eine EC -Karte. Keine wertvolle
Unterhaltungselektronik. Das Ganze sieht nicht wie ein Raubüberfall aus.«
»Habt ihr einen Computer entdeckt?«, fragte Christoph.
Jürgensen schüttelte den Kopf. »Bis zu seinem unfreiwilligen Tod war
das Opfer anscheinend ein glücklicher Mensch, ohne Computer und Smartphone. Ein
Handy haben wir gefunden. Ein ganz normales mit großen Tasten. Das lag direkt
neben dem Opfer auf einem kleinen Beistelltisch.«
Zum Abschluss seiner Ausführungen bekam Jürgensen einen
Hustenanfall.
Sie kehrten zur Dienststelle in die Poggenburgstraße zurück.
»Ist es nicht merkwürdig«, stellte Christoph unterwegs fest, »da ist
ein Mensch auf grausame Weise getötet worden, und die Welt nimmt davon keine
Notiz.«
Vor dem Restaurant »glücklich am Meer« standen die Fahrzeuge auf der
Straße und ließen den Verkehr nur im Wechsel passieren.
»Der Andrang spricht
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