Nebelfront - Hinterm Deich Krimi
Uhr.
»Anhand der Totenflecken, der Körpertemperatur und des
Gesamteindrucks schätze ich, dass der Tod vor zehn bis zwölf Stunden
eingetreten ist. Plus oder minus«, ergänzte er.
»Also gestern Abend, nach dem Abendbrot.«
Dr. Hinrichsen sah ihn fragend an. »Hellseher?«
»Das haben wir aufgrund der vorgefundenen Konstellation vermutet.«
Christoph zeigte auf das Geschirr. »Es hat den Anschein, als hätte der Täter
das Opfer von hinten erschlagen.«
»Das könnte ein Laie vermuten«, knurrte Dr. Hinrichsen. »Ich
kann es nicht bestätigen, aber es sieht so aus, als wenn es nur ein einzelner
Schlag war, der aber mit außergewöhnlicher Heftigkeit ausgeführt worden ist.«
»Ist die zertrümmerte Schädeldecke die Todesursache?«
»Das ist schwer feststellbar. Kann möglich sein. Auf den ersten
Blick sieht es schlimm aus, ich meine, das äußere Bild. Sehen Sie das hellere
Blut, das aus dem Ohr geflossen ist? Da ist Liquor enthalten. Das deutet auf
schwere Gehirnschäden hin.«
Konzentriert setzte der Arzt die Untersuchung fort.
»Doch«, sagte er nach einer Weile. »Ich glaube, dass die
Schädelkalotte beschädigt ist. Hier liegt ein epidurales Hämatom vor. Das ist
typisch bei einer Fraktur des Schädeldachs. Da reißt die innen auf dem Knochen
aufliegende Arteria meningea media . Die Blutung
drückt auf die Hirnhaut und somit das Gehirn nach innen. Dafür sprechen die
Pupillenerweiterung und dass das Opfer sich noch übergeben musste.« Der Arzt
unterstrich seine Erklärungen damit, dass er auf die Pupillen und den Fleck in
Mundhöhe des Opfers zeigte. »Sie sollten nach Cumarinen suchen.«
Mit einem belustigten Blick sah Dr. Hinrichsen die beiden
Beamten an. Als sein Blick auf Große Jäger fiel, hatte der Arzt einen leicht
spöttischen Zug um die Mundwinkel.
Die verzogen sich augenblicklich, als der Oberkommissar erklärte:
»Sie meinen, der Tote hat Blutgerinnungsmittel zu sich genommen?«
»Ja. Wenn Sie die Wohnung durchsuchen, achten Sie auf Phenprocoumon.
Das ist der Wirkstoff. Auf der Arzneipackung könnte Marcumar, Falithrom oder
etwas anderes stehen.«
Sie wurden durch das Team des K6 von der Flensburger
Bezirkskriminalinspektion unterbrochen. An der Spitze der drei Männer stapfte
Hauptkommissar Klaus Jürgensen, der Leiter der Spurensicherung, herein.
Große Jäger fasste sich theatralisch ans Herz. »Mensch, Klaus, was
schleichst du dich hier herein? Das kannst du mir nicht antun. Ohne jede
Vorankündigung von Husten und Niesen.«
»Du kannst mir was husten«, gab der kleine Hauptkommissar zurück.
»Moin, die Herren«, grüßte er und nickte der Reihe nach den Anwesenden zu.
»Begegnet ihr der Übervölkerung jetzt dadurch, dass ihr euch alle umbringt?
Aber warum fangt ihr bei harmlosen älteren Herren an?«
»Wieso harmlose ältere Herren?«, fragte Große Jäger. »Dann wärst du
unser erstes Opfer.« Der Oberkommissar legte die Hand ans Kinn und neigte den
Kopf, als müsse er nachdenken. »Na ja. Älterer Herr trifft auf dich zu. Aber
harmlos? Dabei haben wir uns diesmal angestrengt. Keine große Blutlache. Im
Vorhinein haben wir den Täter gebeten, dir zuliebe das Opfer im Wohnzimmer zu
erschlagen und dabei darauf zu achten, dass alles auf dem Teppich geschieht.«
»Ha – ha«, lachte Jürgensen säuerlich und wiederholte »ha –
ha«, was unvermittelt in ein »Hatschi« überging.
Große Jäger hob den Daumen in die Luft und zählte: »Eins.«
»Neiiin«, kam es gequält über Jürgensens Lippen, dem prompt der
zweite Nieser folgte.
»Na bitte, es geht doch«, spottete der Oberkommissar. »Nun reicht es
aber. An jedem Tatort, an dem du warst, finden wir merkwürdige Spuren. Überall
taucht die DNA eines rätselhaften Virus auf. Wir
haben schon den Eindruck, es wäre ein Killervirus. Jedenfalls taugt es zum
Massenmörder.«
Jürgensen sah Christoph an und zeigte mit dem abgewinkelten Daumen
in Richtung Große Jäger.
»Dem merkt man an, dass er nicht von hier ist. So viel, wie der
sabbelt.«
Dann wurde er ernst und gab seinen Mitarbeitern knappe Anweisungen.
Viel musste er nicht sagen. Es handelte sich um ein eingespieltes Team, das
professionell seiner traurigen Arbeit nachging.
»Da drüben ist ein Kaufmann. Die waren sehr nett, konnten aber
nichts Neues sagen. Der alte Schierling hat dort regelmäßig eingekauft. Immer
nur wenig, nichts Besonderes, nur Dinge, von denen man erwartet, dass ältere
Herrschaften sie erwerben. Gesprochen hat er kaum etwas. Nur
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