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Nebelfront - Hinterm Deich Krimi

Nebelfront - Hinterm Deich Krimi

Titel: Nebelfront - Hinterm Deich Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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geschlossenen Augen deuten auf
Selbstmord hin. Bei Fremdverschulden sind sie häufig geöffnet. Es sieht aus,
als würde er schlafen.«
    »Das wäre aber ein ungesunder Schlaf.«
    Große Jäger deutete auf die deutlich sichtbaren Zeichen der letzten
Entleerung hin, die bei Erhängten häufig eintraten. Dann zog er sich
Einmalhandschuhe über und untersuchte vorsichtig die schlaff neben dem Körper
herabhängenden Hände.
    »Keine Abwehrverletzungen. Es sieht nicht so aus, als hätte er sich
gewehrt.« Er schob das linke Hosenbein hoch und fluchte, als dort etwas von der
letzten Entleerung herabrutschte. »Die Waden sind dunkel durch das abgesackte
Blut.«
    Christoph sah sich um, stellte eine Getränkekiste neben den Toten
und betrachtete Kopf und Hals aus der Nähe.
    »Es handelt sich um eine etwa fingerdicke Nylonschnur. Er muss sie
sich um den Hals auf Höhe des Kehlkopfs gelegt haben. Ich kann deutlich die
Abschürfungen erkennen, als die Schnur nach oben rutschte, vermutlich als er
den Stuhl wegkickte. Die Schnur hat sich dann zwischen Kehlkopf und Unterkiefer
relativ weit oben eingeschnürt und durch das Eigengewicht des Mannes
zusammengezogen. Sie hat sich zwischen Unterkiefer und Ohrläppchen eingegraben
und führt hinterm Ohr nach oben.«
    »Er muss erstickt sein«, vermutete Große Jäger. »Vermutlich war es
ein kurzer Todeskampf. Nach einer Minute ist er bewusstlos geworden. Trotzdem …«
Er ließ den Rest des Satzes offen.
    Christoph sah sich um. »Für mich deutet vieles auf Suizid hin.
Fremdverschulden scheint ausgeschlossen zu sein.«
    Große Jäger nickte. »Das würde ich auch vermuten.«
    Sie beschlossen, weder Dr. Hinrichsen noch die Spurensicherung
anzufordern. Sicherheitshalber würden sie den Stuhl nach Kiel schicken. Das
galt auch für die Nylonschnur. Der Leichnam würde in der Rechtsmedizin
untersucht werden, um alle Zweifel auszuschließen.
    Mit Hilfe der beiden Schutzpolizisten nahmen sie den Toten ab und
legten ihn auf den Betonboden. Sie sicherten die Hände, indem sie Papiertüten
überstülpten, und Große Jäger legte seine Hände auf die Wangen des Toten,
umfasste vorsichtig den Kopf und bewegte ihn. Dabei führte er sein Ohr dicht an
den Hals heran.
    »Es knirscht nicht. Scheint so, als wäre das Genick nicht
gebrochen.« Er nickte dem Toten zu. »Das war stümperhaft.« Dabei rümpfte er
missbilligend die Nase, als würde er die Tat des Mannes nicht gutheißen. »Das
haben wir schon professioneller gesehen.« Der Oberkommissar hob vorsichtig
eines der Augenlider an und zeigte auf die deutlich sichtbaren kleinen
Einblutungen im weißen Augapfel. »Das sind Petechien«, sagte er, »Blutungen aus
den Kapillaren, die aufgrund des Drucks geplatzt sind.«
    Christoph winkte ab. »Glaubst du, das ist mir nicht bekannt?«
    »Ich weiß nicht … Als ich schon Sachbearbeiter für Todesfälle
war, hast du noch in Kiel am Schreibtisch geträumt.«
    Der Mann trug eine graue Stoffhose, die an den Knien ausgebeult war.
Sie wurde durch Hosenträger gehalten, obwohl er eher schlank war. Er war
bestimmt jenseits der sechzig, doch es fehlte der bei Menschen seiner
Generation häufig anzutreffende Bauchansatz. Graue Wollsocken und karierte
Hausschuhe steckten an den Füßen. Das Baumwollhemd wurde durch einen ärmellosen
Pullunder unzureichend verdeckt. Das eingefallene Gesicht zeigte um die
Mundwinkel Ulcusfalten. Am Kinn, Hals und auf den Wangen sprossen graue Bartstoppeln,
sicher nicht älter als einen Tag. Die Wangen waren eingefallen, die Augen lagen
tief in den Höhlen. Sie waren von Schatten umlagert. Die schütteren Haare
gaben, mit Ausnahme eines dichteren Haarkranzes, einen ungehinderten Blick auf
die Kopfhaut frei.
    »Wer bist du denn?«, fragte Große Jäger.
    Einer der uniformierten Beamten räusperte sich. »Bei dem Toten
handelt es sich um Wolfgang Hohenhausen, hier im Hause wohnhaft. Eine
Mitbewohnerin hat ihn entdeckt, als sie etwas aus ihrem Keller, der gleich
nebenan liegt, holen wollte. Das war vor etwa einer halben Stunde.«
    Während Christoph sich Notizen machte, maß Große Jäger die
Körpertemperatur des Toten sowie die der Umgebung.
    »Kein schöner Ort, um zu sterben«, murmelte er halblaut. »Was mag
dich bewogen haben, deinem Leben hier ein Ende zu setzen?« Zum
Streifenpolizisten gewandt fragte er: »Angehörige?«
    »Hier hat er allein gewohnt.«
    »Wissen wir noch mehr über ihn?«
    »Noch nicht«, sagte der Beamte. »Nachdem wir hier eingetroffen
waren, haben wir

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