Nebelfront - Hinterm Deich Krimi
Johannes.«
»Wo finde ich den?«
»Hier auf dem Flur. Steht draußen an der Tür.«
»Sie werden von mir hören.« Er stand auf und knallte die Tür zu.
Zwei Sekunden später öffnete er sie wieder.
»Ja – aber … Das steht da draußen dran. Wo finde ich nun
Ihren Vorgesetzten?«
Wortlos zeigte Große Jäger auf Christoph.
»Frechheit«, fluchte der Mann und verschwand.
»Den habe ich gestern erwischt«, erklärte Große Jäger. »Der schlich
mit seinem Hund am Stadtweg herum.«
»An dem du ganz zufällig deinen Abendspaziergang gemacht hast«, mutmaßte
Christoph.
»Zufall war es eigentlich nicht. Ich wollte mir vor Ort ansehen, wie
die Baugerüste aussehen, über die die Einbrecher einsteigen. Das ist wirklich
kein Problem, über Gerüst und Balkon einzubrechen. Als ich mir das Gerüst aus
der Nähe betrachtet habe, hat der Typ herumgekeift.«
»Aus seiner Sicht nachvollziehbar.«
»Deshalb habe ich es auch dabei bewenden lassen«, zeigte sich Große
Jäger einsichtig.
Christoph nahm Kontakt zum Landeskriminalamt auf und erfuhr,
dass das Tatwerkzeug für den Mord an Adolph Schierling vermutlich ein
imprägnierter Zaunpfosten war.
»Wir haben noch keine Laborergebnisse vorliegen. Wenn das
ausgewertet ist, können wir vielleicht sogar das Präparat nennen. Aber alles
deutet darauf hin.«
»Frag ihn, ob er Röntgenaugen hat«, flüsterte Große Jäger, der das
Gespräch über den Raumlautsprecher mithörte.
Der Kriminaltechniker aus Kiel lachte. »Sagen Sie Ihrem Kollegen,
unsere Röntgenaugen heißen Erfahrung und Inaugenscheinnahme. Außerdem haben wir
einen hervorragenden Souffleur: Dr. Diether von der Rechtsmedizin. Wir arbeiten
Hand in Hand.«
»Das würde ich mit Tante Hilke auch gern«, grummelte Große Jäger.
»Aber die ist glücklich verheiratet.« Dann wurde er ernst. »Wenn die Tat um
etwa zweiundzwanzig Uhr geschah, dann war es zwar schon dunkel, aber das heißt
nicht, dass schon alle schliefen. Selbst auf Nordstrand nicht. Und nicht jeder,
der auf der Insel wohnt, sieht abends Pornos, wenn die Frau zu Bett gegangen
ist«, stichelte er. »Der Täter hat das Risiko, entdeckt zu werden, billigend in
Kauf genommen, als er mit dem Pfosten unterm Arm durch die Wohnanlage
marschiert ist. Und er hat so kaltblütig und überlegt gehandelt, dass er das
Tatwerkzeug wieder mitgenommen hat.«
»Wir müssen weiter in die Vergangenheit eintauchen. Was hat Schierling
gemacht, bevor er sich ins Rentnerparadies auf Nordstrand zurückgezogen hat?«
»Rentnerparadies? Ist das der Grund, weshalb du und Anna auch
dorthin gezogen seid?«
Christoph winkte ab.
»Solche Dynamiker wie du würden unser Idyll stören. Hast du auch
noch andere Neuigkeiten?«
»Ich habe ein paar weitere Informationen über Holger Kruschnicke
zusammengetragen. Der hat nie gearbeitet, war nie irgendwo beschäftigt. Er hat
auch keinen Beruf erlernt, hat keine Altersversorgung, und für den
Krankheitsfall ist er nur für stationäre Behandlung versichert«, berichtete
Große Jäger.
»Ambulant hat sich Dr. Pferdekamp um seinen Schützling
gekümmert. Der alte Arzt hat aber nicht weit genug gedacht. Seit seinem Umzug
nach Walhall ist Kruschnicke unversorgt. Und in dem Zustand, mit den
Depressionen, nimmt ihn keine Versicherung mehr auf.«
»Für ihn gibt es auch keine Altersversorgung, keine
Lebensversicherung, keine Rentenversicherung. Nichts. Der Mann scheint nur als
Schatten zu existieren.«
»Du vergisst, dass man ihn auch als Patienten in der Fachklinik in
Breklum kennt.«
»Gibt es so etwas?«, fragte der Oberkommissar rhetorisch.
»Ja. Du siehst es doch in diesem Fall.«
»Was ist das für ein Leben.« Er grinste Christoph an. »Unter diesen
Umständen ist selbst die Zusammenarbeit mit dir angenehmer.«
»Wo hat Kruschnicke nach dem Tod der Mutter und bis zu seinem Einzug
in Pferdekamps Haus in Husum gelebt? Da ist noch ein zeitliches Loch.
Vielleicht finden wir dort einen Ansatzpunkt. Er muss doch eine Schule besucht
haben.«
Große Jäger griff zum Telefon. Er führte nur ein kurzes Telefonat,
dann sagte er: »Bruno Hinderlich. Der Name ist Programm.«
Christoph sah ihn ratlos an. »Wer ist das?«
»Der Alte mit dem Hund, der uns vorhin belästigt hat. Der Empfang,
mit dem ich eben gesprochen habe, hat den Namen notiert.«
»Können wir uns auf eine Sache konzentrieren?«, bat Christoph. »Es
reicht, dass wir die Grabschändung und den Mord auf Nordstrand parallel
bearbeiten müssen.«
Der Oberkommissar
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