Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nebelgrab (German Edition)

Nebelgrab (German Edition)

Titel: Nebelgrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Klein
Vom Netzwerk:
rührte sich nicht. Jemand stieg ein, ließ den Motor an und setzte den Wagen rückwärts raus.
    Sie fuhren eine geschätzte halbe Stunde, während der Adrian anfangs versuchte, anhand der Geräusche und der Stopps unterwegs nachzuvollziehen, wohin sich der Wagen bewegte. Er hatte in diversen Fernsehkrimis immer mit Spannung die Auflösung von Entführungen verfolgt, bei denen die Opfer durch genaue Geräuschangaben den Weg hatten rekapitulieren können, doch in seiner speziellen Lage, in der Realität, die so gar nichts mit künstlicher Spannung zu tun hatte, war es unmöglich, Großstadtgeräusche einer Fahrtrichtung zuzuordnen. Nach wenigen Minuten gab er auf und lauschte nur noch auf auffällige Veränderungen.
    Irgendwann war ihm klar, dass sich das Auto auf der Autobahn befand, dann ruckelte es vermehrt, was von schlechter Asphaltierung zeugte, Geräusche ließen nach, wurden, wenn es neue gab, leicht erkennbar. So hörte er einen Traktor und schloss daraus, dass sein Entführer mit ihm aufs Land gefahren war. Doch wo das sein sollte, war Adrian völlig schleierhaft. Er traute sich nicht, sich zu bewegen. Es war aussichtslos. Er musste warten, aber worauf?
    Schließlich hielt der Wagen. Unsanft holte man ihn heraus, ließ ihn zu Boden fallen wie eine faule Birne und entließ zumindest die Beine in Freiheit. Dann wurde er auf die Füße gestellt, nur um gleich darauf wieder zu Boden geschlagen zu werden. Adrian stöhnte und hatte das Gefühl, seine Hirnmasse bestünde nur noch aus in Öl getränkter Zuckerwatte. Einige Minuten – oder waren es bloß Sekunden? – durfte er sich von dem Schlag erholen, bevor man ihn wieder auf die Füße zerrte. Adrian war erstaunt, wie sehr seine nicht verdeckten Sinne trotz dieser Brutalitäten versuchten, die Umgebung wahrzunehmen. Er roch den Waldboden, er hörte das Flügelschlagen der Vögel, er fühlte einsetzenden Nieselregen auf der Haut. Nur sehen konnte er nichts, nicht einmal durch den Schlag war die Augenbinde verrutscht. Er befand sich in der Willkür eines Irren. Er hatte Angst.
    »So, Freundchen, bevor ich noch einmal das Vergnügen habe, dir eine zu verpassen, sagst du mir jetzt, wo der Schatz ist!«
    Die Stimme des Unbekannten hörte sich kratzig an.
    »Es gibt keinen Schatz – Arschloch!« Adrian versuchte sein Glück mit gespielter Kaltschnäuzigkeit. Ihm war schwindelig vom Sprechen dieser wenigen Worte. Dann beugte er sich vor und erbrach sich.
    Toll, dachte er, Gehirnerschütterung, so viel ist klar.
    »Bah, du Schwein! Verdammt!«
    Adrian hörte, wie der andere sich etwas entfernte. Er hatte wohl die Schuhe seines Angreifers erwischt. Obwohl ihm so elend zumute war, spürte er Schadenfreude.
    »Pass mal auf, du Clown! So nicht!«
    Von der Seite wurde Adrian wieder gepackt und zu Boden geschleudert. Die Erschütterung ließ seine Zuckerwattemischung hin und her wabern. Ihm war übel, aber der Magen war leer. Mit seinen Händen, die immer noch hinter dem Rücken gefesselt waren, lag er fast wie ein Käfer, der sich aus eigener Kraft nicht umdrehen konnte.
    Und wieder hörte er die Ungeduld in der Stimme des anderen, die seine Ohren wie Faustschläge trafen: »Entweder sagt du mir jetzt, was ich wissen will, oder du kannst deiner Tante Martha Hallo sagen!«
    Doch Adrians Ohren waren durch die schon viel zu lange andauernde Dunkelheit geschärft: Fast wie aus einem Reflex heraus spannte er seine Beine an und benutzte sie wie eine zuschnappende Schere. Er erwischte den Mann so schnell und unerwartet, dass der sein Gleichgewicht verlor und ebenfalls zu Boden ging. Adrian überwand den andauernden Schwindel, indem er sich einredete, er liege ja schon, er könne also nicht mehr umfallen, und rieb sein Gesicht über den Boden, sodass die Binde verrutschte.
    Mit zusammengekniffenen Augen registrierte er, wie sein Angreifer sich von dem Überraschungsschlag sofort erholte und wieder aufstand. Adrian versuchte zu robben, scheiterte jedoch kläglich. Der Mann fasste ihn bei den Füßen und zog ihn, als wöge er rein gar nichts, über den Boden. Dreck, Steine und Tannenzapfen zerkratzten sein Gesicht und gerieten in seinen Mund. Er wollte schreien, doch was nutzte das? Niemand würde es hören. Er versuchte, mit den Beinen zu strampeln, und wand sich hin und her, doch der Mann hatte unglaubliche Kräfte.
    Plötzlich ließ der Fremde ihn fallen. Adrian hustete und spuckte und versuchte sich umzudrehen. Was würde jetzt kommen? Schnell, Augen auf! Wo war er? Was führte

Weitere Kostenlose Bücher