Nebelgrab (German Edition)
Adlers Stirn fanden sich abrupt zu Rinnsalen zusammen.
»Diese Freundin hat meiner Großmutter erzählt, dass dieses Schmuckstück bei Ihnen zu haben sei.« Ich bin wahnsinnig!, dachte Adrian und wusste, dass er sich damit zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte. Der alte Mann wandte sich brüsk ab und schritt erstaunlich schnell durch den Laden. Er verschwand in einem Hinterzimmer. Adrian sah ihm verwundert hinterher, doch bevor er sich entschließen konnte zu gehen, keuchte der Alte wieder durch das Geschäft. Ein jüngerer Mann mit Kapuzenjacke, Sonnenbrille und Kappe überholte auf halbem Weg den Alten. Herr Adler sah Adrian nicht mehr an, dafür blickte ihn der andere durch seine dunklen Gläser umso schärfer an. Eisig durchfuhr es ihn: Das ist der Kerl von heute Morgen. Ich weiß nicht, warum ich’s weiß, aber ich bin ganz sicher.
Er hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, da packte ihn der Mann am Kragen und schlug ihn nieder. Im selben Moment, in dem Adrian sich ärgerte, wieder nicht aufgepasst zu haben, schoss der Schmerz quer durch seinen Kopf. Die Brille knackte, seine Augen schlossen sich automatisch und er kam ungebremst seitlich auf Schulter, Arm und Hüfte auf dem Boden auf. Dann schlug auch sein Kopf auf die Dielen.
Dieses Mal geht’s nicht gut, dachte Adrian ziemlich benommen. Er blieb regungslos und mit geschlossenen Augen liegen und fühlte, wie der
Schmerz durch seinen Schädel wummerte. Wie durch Watte hindurch hörte er gerade noch, wie eine weitere Person dazukam.
Es war eine Frauenstimme, die sagte: »Das ist er, der Zeitungsfritze. Schaff ihn weg!«
Die Stimme löste bei ihm jedoch keine Angst aus, sondern seltsamerweise Verwunderung. Adrian war verwundert, weil ihm die Stimme bekannt vorkam … er kannte sie … er wollte sie erkennen, doch es fiel ihm nicht ein. Er konnte sich selbst nicht beantworten, wo er die Stimme gehört hatte – es konnte noch gar nicht lange her sein …
Dann wurde er gepackt. Er rührte keinen Muskel, sondern ließ sich schleifen wie ein Sack Zement. Einen Augenblick später wurde es zum zweiten Mal an jenem Tag dunkel um ihn.
Dunkles Erwachen
Gesprächsfetzen, übler Geruch und schmerzende Gelenke, von seinem Kopf gar nicht zu reden, weckten Adrian auf. Es dauerte lange, bis er sich erklären konnte, warum es so dunkel war, warum er sich nicht bewegen konnte und was ihm widerfahren war. Er wusste, dass er sich in höchste Gefahr gebracht hatte.
Als seine Sinne nach und nach erwachten, registrierte er eine Augenbinde, die nach Katzenurin roch. Seine Arme waren hinter dem Rücken gefesselt, seine Beine oberhalb der Fußgelenke ebenfalls. Er lag. Aber wo?
Hinter sich spürte er ein weiches Polster, unter sich ebenso. Auch dort stank es. Er versuchte sich zu recken, wobei sein Kopf schnell an etwas Hartes stieß. Allmählich dämmerte ihm, dass er sich in einem Auto befand. Offensichtlich hatte man ihn auf einem Rücksitz deponiert – wie ein Päckchen, bereit zur Abgabe bei der Post. Das erklärte auch die dumpfen Stimmen. Die Autotüren waren geschlossen; der Händler und sein brutaler Kompagnon, oder wer oder was auch immer der Schläger war, mussten sich in der Nähe befinden. Da war doch auch noch eine Frau gewesen!
Adrian versuchte sich an den Klang der Stimme zu erinnern, doch er schaffte es nicht. Er schmeckte Blut. Mit der Zunge tastete er alle Zähne ab, die Wangeninnenseiten, die Lippen. Alles okay. Das Blut war ihm im Liegen womöglich über den Mund gelaufen. Vermutlich hatte er eine Platzwunde, doch das festzustellen, war in dieser Position unmöglich. Wie lange er wohl ohnmächtig gewesen war? Wut und Angst krochen in ihm hoch und machten das Ausmaß seiner Lage erst deutlich. Was sollte, was konnte er nur tun?
Er versuchte, die Fesseln zu dehnen, doch er erreichte damit nur, dass es stärker schmerzte. Bevor er weitere Experimente zur Verbesserung seiner Lage unternehmen konnte, hörte er, wie sich die Stimmen näherten. Es waren eindeutig ein Mann und eine Frau. Sie klangen hektisch, aufgeregt. Er hörte ein Rumpeln und Quietschen, dann sah er durch den unteren Rand seiner Augenbinde ein wenig Licht durchschimmern. Offenbar hatten sie ein Garagentor geöffnet. Seine
Angst verstärkte sich urplötzlich zur Panik: Sie wollten ihn loswerden! Vielleicht hatten sie vor, ihn in den Rhein zu werfen oder im Wald zu massakrieren!
Die Autotür wurde aufgerissen. Jemand stieß ihn an, dann wurde eine Decke über ihn geworfen. Adrian
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