Nebelgrab (German Edition)
dieser Dreckskerl im Schilde? Adrian wartete mit rasendem Puls auf den nächsten Angriff. Das Geräusch eines startenden Automotors drang an seine Ohren. Um Gottes Willen! Der Typ wollte ihn doch nicht etwa überfahren! Dann hörte er Reifen schlittern. Verdammter Dreck in den Augen! Was war nur los? Rufe ertönten, das Geräusch entfernte sich, ein weiterer Motor war zu hören, dann Schritte.
»Herr Seemann! Hören Sie mich?«
Jemand nestelte an seinen Handfesseln, löste sie, wischte ihm Dreck aus dem Gesicht. Er konnte die Augen öffnen.
»Herr Seemann, sagen Sie was!«
Es war Kommissar Michels.
Außer Husten gelang Adrian keine Äußerung, doch er war dankbar, so dankbar, wieder dankbar.
Im Krankenhaus
»Langsam wird es lästig, immer Ihr Leben retten zu müssen!« Benno Freund stand an Adrians Bett und tippte ihm unsanft auf die Brust. »Halten Sie sich aus unseren Ermittlungen raus, junger Mann – ich sage das nicht noch mal!«
»Das ist schön, denn ich hasse Wiederholungen.«
Adrians Scherz fand beim Kommissar keinen Anklang. Adrian entschuldigte sich umgehend. Die Schmerzen waren merkwürdigerweise verschwunden. Wahrscheinlich hatte man ihm großzügig Medikamente verpasst.
»Wie haben Sie mich gefunden?«, fragte er, nachdem die Empörung aus Herrn Freunds Gesicht wieder verschwunden war.
»Hier, Ihre Brille.« Der Beamte reichte Adrian zwei Teile, die einmal seine Brille gewesen waren. »Wir hatten etwas vergessen und kehrten um, um Herrn Adler nochmal zu befragen. Dabei fand Herr Michels Ihre zerbrochene Brille. Als dann ein Wagen zügig am Laden vorbeifuhr, brauchten wir nur noch eins und eins zusammenzuzählen und den Wagen zu verfolgen.«
»Aber erst haben Sie mich von diesem Kerl zusammenschlagen lassen«, maulte Adrian, setzte aber versuchsweise ein kleines Lächeln auf, um den Kommissar nicht schon wieder zu verärgern.
»Tja, im Hardter Wald haben wir Sie kurzfristig verloren. Aber da Sie ja nun hier liegen und der Täter sein Werk nicht vollenden konnte, waren wir wohl noch rechtzeitig da.«
»Ja, und dafür bin ich Ihnen sehr dankbar – Dankeschön!«, sagte Adrian noch einmal mit einer Extraportion Demut in der Stimme, bevor er fragte: »Wie geht es jetzt weiter?«
»Für Sie geht gar nichts weiter! Sie schlafen sich aus, kurieren Ihren Kopf – nebenbei gesagt: Sie sehen ganz schön übel aus – und gehen nach ein paar Tagen brav nach Hause, sofern wir den Kerl erwischt haben.«
Benno Freund setzte sich für einen Moment auf die Bettkante und fragte nach dem Hergang des Vorfalls. Adrian verschwieg dieses Mal nichts und erwähnte auch seine Beobachtung mit Frau Lorenz. Dann zog ihn die Müdigkeit so rasch ins Reich der Unschuld wie ein Bleigürtel einen Taucher in die Tiefe.
Der Kommissar ließ ihn allein. Im Einschlafen hatte Adrian so etwas wie einen Geistesblitz; ihm war eingefallen, wem die weibliche Stimme aus dem Antiquitätengeschäft gehörte, doch sein Hirn schaffte es nicht, die Nachricht ans Sprachzentrum zu senden. Er war zu müde und erschöpft.
Mitten in der Nacht erwachte er aus einem üblen Traum. Obwohl es in dem Krankenzimmer kühl war, waren Adrians Nacken und Brust nass von Schweiß. Seine Prellungen schmerzten und er fühlte sich, als hätte ihn ein Elefant niedergetrampelt. Er registrierte jetzt erst seinen Bettnachbarn, der ruhig vor sich hin schnarchte.
Was war es noch, was ihn so beschäftigte, mal abgesehen von dem immer noch unbekannten Verbleib des Schatzes? – Richtig, die Frau, die ihn einen Zeitungsfritzen genannt hatte. Die Frau, die ihn aus dem Weg geräumt haben wollte. War sie etwa die Drahtzieherin? Wie gehörte sie zum Antiquitätenhändler Adler? Wer war sie? Er hatte es doch gewusst! Verdammt! Wo war der Name hin, wo ihr Gesicht? Es war ein älteres Gesicht, und sie war eigentlich nett gewesen, wenn auch ein wenig seltsam – jetzt fiel es Adrian wieder ein: Es war Frau Meester, die Verwaltungschefin des Altenheims!
Mit einem Ruck setzte er sich auf und ignorierte die undankbare Antwort seines Gehirns, das hin und her zu wackeln schien. Es war, als habe man schon ein wenig Öl aus der kranken Mischung in seinem Kopf abgelassen, aber von Genesung war er weit entfernt. Trotzdem musste er handeln. Er sah sich um. In seinem Arm steckte ein Tropf, der ihn mit Kochsalzlösung versorgte. Auf seinem Nachttisch lagen Pralinen, frische Socken, Unterwäsche und Reste eines Abendessens, das er selber nicht genossen hatte. Seine Eltern mussten
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