Nebelriss
weitere Drohung werdet Ihr bitter bereuen. Dann sollt Ihr sehen, wozu der Kaiser Sithars fähig ist!« Er umschlang Ceyla mit den Armen, und ihr Kleid rutschte von den Schultern herab, sodass sie mit entblößter Brust dastand, die Augen beschämt zu Boden geschlagen, den Kopf widerstrebend an Akendors Schulter gelegt. »Und eines noch: Lasst überall im Kaiserreich verkünden, dass ich mich vermählen will. Euch, Fürst Binhipar, beauftrage ich hiermit, alle Vorbereitungen für eine baldige Hochzeitszeremonie im Tempel von Thax zu treffen! Das Mädchen an meiner Seite, Ceyla Illiandrin, soll meine Gemahlin werden - die Kaiserin Sithars!« Binhipar öffnete den Mund. Er ballte die Fäuste. Für einen Augenblick fürchtete Scorutar, der Fürst von Palidon werde sich auf Akendor stürzen. Doch Binhipar Nihirdi verharrte an seinem Platz. Düster starrte er den Kaiser an.
Akendor hielt dem Blick des Fürsten nur wenige Sekunden stand. Dann stieß er Ceyla von sich, sprang wie wild auf die Tafel, sodass die Teller und Gläser klirrend am Boden zerschellten, tobte, brüllte, »und nun hinaus, HINAUS, und denkt an meine Worte, denkt an sie!«
Hastig verließen Scorutar und Binhipar den Saal, die Stimme des Kaisers im Rücken. Sie stürzten auf den Gang hinaus und verlangsamten ihre Schritte erst, als sie den Festsaal weit hinter sich gelassen hatten. »Bei Tathril, es muss etwas geschehen«, flüsterte Scorutar, als sie um die nächste Ecke bogen, »es muss schnell etwas geschehen!«
Binhipar gab keine Antwort. Doch sein Gesicht verriet, dass düstere Gedanken in seinem Kopf umhergingen. Der Korb war leer. Nhordukael hatte die letzten Heilkräuter verteilt. Mit enttäuschten Gesichtern waren die Armen und Siechen, die ihn bis zuletzt umringt hatten und nun leer ausgegangen waren, wieder in der Menge verschwunden.
Es war dunkel geworden. Ein satter Mond erhellte den Himmel, und auf dem Platz der Gießer und Schmelzer flammte das Licht zahlreicher Fackeln. Bis in die späte Nacht hinein sollte das Fest der Ernte andauern, und obwohl es mit dem Verschwinden der Sonne recht kalt geworden war, befanden sich noch immer zahlreiche Menschen auf dem Platz, tanzten und tranken und sahen den Artisten zu, die mit immer neuen Kunststücken die Menge ergötzten. Alle warteten auf den Höhepunkt des Festes den Bronzeguss der Heiligen. Vor der Kaiserlichen Bronzewerkstatt hatten sich Vertreter der verschiedenen Hochlandgilden versammelt: die Gießer mit ihren breitkragigen Lederkitteln, die Zinn- und Kupferbergleute mit ihren schwarzen Hauben, die in graues Leinen gewandeten Männer aus den Kohlenbergwerken. Gemeinsam mit ihren Frauen führten sie traditionelle Tänze auf, begleitet von Flöten und Pauken, und das Volk jubelte ihnen zu.
Nhordukael hatte eine hervorragende Sicht auf die tanzenden Paare. Er stand noch immer in der Nähe der Statuen und betrachtete die fröhlichen Gesichter der Gildenleute, ihre glänzenden Augen, ihre vom Gerstentrunk geröteten Wangen. Für den Augenblick vergaß Nhordukael seine Sorgen und teilte die Freude, die das Erntefest den Menschen von Thax bereitete.
Als die Tänze ein Ende gefunden hatten, wurden jene, die unmittelbar vor den Heiligenstatuen standen, von den Gießern zurückgetrieben. Lautes Jubeln erhob sich in der Menge, als die Gildenleute das mächtige Eisentor der Gießerei öffneten und ein großes Gestell aus dem Inneren des Gebäudes hervorzogen. Es handelte sich um eine Tribüne, aus zusammengebundenen Kiefernstämmen errichtet. Ihre Holzräder knirschten und ächzten auf dem Pflasterstein, und als die Gießer die Tribüne zu den Statuen herüberzogen, schwankte das hohe Gestell unheilvoll hin und her. Denn ein schweres Gewicht ruhte auf ihm: eine breite Eisenwanne, die bis zum Rand mit geschmolzener Bronze gefüllt war. Heiße Schwaden stiegen empor, und darüber flimmerte rotgolden die Luft. Als das Gestell zu sehr ins Wanken geriet, schoss eine Fontäne flüssigen Metalls aus der Wanne, und die Gießer stoben johlend auseinander und brachten sich vor der glühenden Bronze in Sicherheit.
Fasziniert beobachtete Nhordukael, wie die Gießer das Gestell dicht vor die Standbilder der Heiligen rollten. Ehrfürchtig bezogen die Gildenleute vor den Statuen Stellung, neigten ihre Häupter und dankten Tathril für das dahinscheidende Jahr, für Lohn und Brot und die Schätze der Erde.
Es hatte wieder zu schneien begonnen. Dicke Flocken sanken schwerfällig vom Himmel herab. Nur vor der
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