Nebelriss
einen Ellbogen in die Seite gerammt; beinahe stürzte er, doch im letzten Moment konnte er sich fangen. Gebannt starrte er auf die Kreatur, die ihr metallisch glitzerndes Haupt reckte. Ihr goldener Kiefer klaffte auseinander, und sie stieß einen Schrei aus, ein grelles Kreischen. Dann wirbelte sie herum; messerscharfe Klauen entfalteten sich von ihrem Leib und umschlangen den Einarmigen, fast so, als wollte das Wesen sich an ihm festklammern. Der Mann stieß ein irres Lachen aus, »Spürt Drafurs Zorn, spürt Drafurs Hass!«, dann wandelten sich seine Schreie zu einem Gurgeln; Blut brach aus seinem Mund, seine Augen traten aus den Höhlen, ein Beben erfasste seinen Körper, sein Arm schlug verzweifelt nach dem Wesen, das seinen Unterleib zerfetzte.
Während auf dem Platz noch immer die Schreie der flüchtenden Menschen gellten, stieß das Wesen den leblo- sen Körper des Einarmigen von sich, und mit einem zweiten, schrillen Kreischen stürzte es sich von der Kutsche, sprang auf den noch immer am Boden liegenden Gildenmann zu. Schon war das Untier über ihm, das Maul gierig aufgerissen; knirschend zerbarst sein Schädel unter den gnadenlosen Fängen. Wieder richtete sich das Wesen auf, suchte mit schwarzkalten Augen ein neues Opfer.
Nhordukael erwachte aus seiner Erstarrung. Voller Entsetzen sah er, dass die Kreatur in seine Richtung schoss. Er wollte sich umdrehen und die Flucht ergreifen, doch seine Füße gehorchten nicht, und so blieb er wie angewurzelt stehen.
Dicht vor den Statuen hielt das Wesen inne, den Kopf emporgereckt, als schnüffelte es in der Luft nach etwas. Nun erst erkannte Nhordukael, auf wen es das Untier abgesehen hatte. Unter dem Gestell, den Rücken gegen eines der Holzräder gepresst, hockte das kleine Mädchen, das die Statuen mit Blumen geschmückt hatte. Es wimmerte. Sein rechtes Bein war auf seltsame Weise gekrümmt. Von den Gießern war keiner zu sehen; sie hatten angsterfüllt das Weite gesucht.
Nhordukael spürte ein Brennen in der Kehle. Mit aufgerissenen Augen starrte er auf die Kreatur, die sich zwischen den Statuen hindurchschlängelte, den hinteren Leib nachziehend. Ihre mordlustigen Augen waren auf das Mädchen gerichtet.
Ohne nachzudenken, rannte Nhordukael los. Mit wenigen Schritten hatte er das Gestell erreicht, duckte sich unter einem hervorstehenden Balken, ergriff das weinende Kind. Hinter sich hörte er erschrockene Rufe aus der Menge. Rasch wirbelte er herum. Seine weiße Kutte sank schützend um das Mädchen. Über sich spürte er die wallende Hitze der Bronzewanne. Und dicht vor ihm, kaum sechs Schritte entfernt, kauerte zwischen den Statuen der heiligen Ladeja und dem Abbild Magro Farghs das Furcht erregende Geschöpf, reglos und starr. Schneeflocken umtanzten sein aufgerichtetes Haupt. Aus schwarzen Augen funkelte es Nhordukael an. Es schien verwirrt durch das plötzliche Auftauchen der weiß gewandeten Gestalt. Unentschlossen verharrte es zwischen den Statuen.
»Helft ihm doch«, gellte eine Stimme aus der Menge, »bei Tathril, helft dem Priester und dem Kind!« Aug in Auge stand Nhordukael der Kreatur gegenüber, und nun sah er ihre ganze Scheußlichkeit - den verzerrten Leib, besetzt mit scharfen Spornen und Stacheln; die goldenen Schuppen, über die sich ein öliger Schleim zog; das blutbesudelte Maul, dessen Kiefer vor Gier bebten. Seine Glieder waren zum Sprung gespannt; die Krallen knirschten auf dem Pflasterstein.
»Nun spring endlich«, flüsterte Nhordukael. »Spring und mach ein Ende, was immer du auch bist!« Schweiß rann von seiner Stirn. In seinen Armen spürte er den zitternden Körper des Mädchens.
Als sich die Kreatur mit einem jähen Satz auf ihn stürzte, ließ Nhordukael sich blitzschnell zu Boden fallen. Seine Knie schlugen auf dem Pflaster auf. Das Wesen schoss über ihn hinweg, krrrrrrachte mit einem ohrenbetäubenden Lärm in das Gebälk des Gestells. Knirschend brach die Tribüne in sich zusammen. Nhordukael duckte sich vor den herabpolternden Balken, wich den rings um ihn niedergehenden Holzstützen aus … um ihn nichts als Lärm, hinter ihm ein wütendes Schreien; er sah, wie die Kreatur ihm nachsetzte, wie die scharfen Krallen nach ihm griffen, und sein Hals schien zu verdorren.
Und dann ertrank die Welt in einem Zischen. Gluthitze peitschte über seinen Körper hinweg. Nhordukael krümmte sich auf dem Boden, das Mädchen fest umklammernd; er schrie und wand sich in dem Feuer, das an ihm herabstürzte. Er vernahm ein
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