Nebelriss
vier Tagen ritt die Gesandtschaft auf dem Weg der Pracht. Der jähe Klimawechsel, der sich mit dem Eindringen in die Wüste eingestellt hatte, machte den Sitharern schwer zu schaffen. Vor allem Lyndolin Sintiguren litt unter der sengenden Hitze, zumal sie seit Pryatt Parr nicht mehr in einer Kutsche reisen konnte. Die Arphater hatten lediglich eine zwischen zwei Pferderücken gespannte Sänfte für die betagte Dichterin angefordert. Sie hatte bereits mehrere Schwächeanfälle erlitten; Baniter machte sich ernsthafte Sorgen um ihre Gesundheit. Auch er selbst fühlte sich matt. Der Pradan-Anuf, jener ostwärts wehende, glühende Wüstenwind, trocknete Lunge und Nase aus und machte das Atmen zur Qual. Allein Mestor Ulba schien das praatische Klima gewöhnt zu sein; seine Beteuerung, dass die Temperaturen im Sommer noch sehr viel unangenehmer seien, half den übrigen Reisenden nur bedingt. Nachdem es Baniter gelungen war, alle zwanzig Krieger seines Trosses über die Bogenbrücke zu führen, hatten die Arphater ihnen eine »Begleitung« von nahezu fünfzig Soldaten zur Seite gestellt. Die meisten waren Mönche der Anub-Ejan und entstammten dem Gefolge des großen Ejo, bei den übrigen handelte es sich um Angehörige kleinerer Kriegersekten. Der Schechim selbst führte den gewaltigen Zug an.
Sie waren noch zwei Tagesreisen von der Hauptstadt entfernt. In der Ferne war bereits das Yanur-Se-Gebirge zu erkennen, hinter dem das Kernland Arphats begann. Bald würden sie das Tor von Talanur erreichen, jenen Pass, durch den einst Apetha der Eroberer seine Krieger geführt hatte, um die Welt in die Knie zu zwingen. Baniter erschauderte bei dem Gedanken, das sagenhafte Tor bald selbst zu durchqueren und kurz darauf die Häuser und Paläste von Praa zu erblicken.
Lass dich nicht von dieser Stadt blenden, nicht von diesem Land, von dieser Königin,
mahnte er sich im Stillen.
Der geringste Fehltritt kann den Tod bedeuten; und diesen Gefallen will ich Scorutar und Binhipar nicht tun, die meinen Kopf sicher längst auf einem arphatischen Spieß wähnen.
Aufmerksam beobachtete er Ejo, den Anführer der Anub-Ejan. Der Schechim war von seinem Pferd gestiegen. Gemeinsam mit einigen Getreuen untersuchte er die Leichen, deren Fund die Gesandtschaft aufgehalten hatte. Sein gelbes Gewand hatte sich an einer Stelle gelöst; kläglich flatterte es im Wind wie die zerrissene Fahne eines Hilfesuchenden. Ejo hatte sichtliche Mühe, das Tuch wieder um den Körper zu wickeln. In seinem Gesicht war Zorn zu erkennen.
»Es kommt nicht oft vor, dass sich die Nomaden so weit in die Nähe der arphatischen Siedlungen trauen«, erklärte Mestor Ulba. »Vielleicht war es ein Rachefeldzug für die Vertreibung eines Stammes.« »… oder ein Hinterhalt«, erklang hinter ihnen die schneidende Stimme Sadouter Suants. Die beiden Männer fuhren herum. Sadouter saß forsch auf dem Rücken seines Pferdes; mit der rechten Hand hatte er das Schwert gezückt. »Es kann kein Zufall sein, dass wir kurz vor Praa Zeugen eines solchen Massakers werden. Ich sage Euch, Fürst Baniter, die Arphater haben uns eine Falle gestellt, und wir sind hineingetappt.«
Baniter rollte entnervt mit den Augen. »Steckt Euer Schwert fort«, befahl er, »und, vor allem, behaltet Eure nutzlosen Gedanken für Euch. Diese Toten dort gehen uns nichts an.«
Sadouters Blick verdüsterte sich. »Ihr seid das Oberhaupt dieser Gesandtschaft, Fürst Baniter! Es ist Eure Pflicht, uns zu beschützen! Was wollt Ihr tun, wenn die Arphater über uns herfallen? Niemand wird Königin Inthara zur Rechenschaft ziehen; jeder wird glauben, wir seien Opfer dieser Nomaden geworden.« »Die Sonne hat Euch den letzten Rest Verstand aus dem Kopf gebrannt!«, zischte Baniter. »Schweigt endlich!« Wortlos steckte Sadouter das Schwert fort. Doch seine Augen ruhten voller Misstrauen auf den Anub-Ejan, und als Ejo sich aufrichtete und auf die Gesandten zuschritt, trieb Sadouter sein Pferd mit einem zischenden Laut zurück, als fürchtete er, der Schechim habe es auf ihn abgesehen.
Baniter ließ sich seine Unruhe nicht anmerken, als Ejo vor ihm zum Stehen kam. Lächelnd nickte er dem Anführer der Arphater zu. »Ayum Farneth, großer Ejo. Ich sehe, es gibt Schwierigkeiten. Meine Männer sind beunruhigt; wann, glaubt Ihr, können wir die Reise fortsetzen?«
Ejo wich seinem Blick aus. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Luchs von Ganata. Wir werden sogleich weiterreiten.«
»Wollt Ihr die Gefallenen nicht
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