Nebelriss
zusammengeschlossen, die über die magischen Quellen wachen. Doch sie stehen unter der ständigen Aufsicht der Anub-Ejan.«
Zumindest in dieser Hinsicht sind uns die Arphater einen Schritt voraus,
dachte Baniter. Es
kann nur von Unheil sein, wenn man den Zauberern zu große Eigenständigkeit einräumt.
Ihm selbst war die Kirche des Tathril ein Dorn im Auge. Wer vermochte zu ermessen, was die magisch bewanderten Priester in ihren Tempeln ausheckten, ohne dass der Silberne Kreis darauf Einfluss nehmen konnte?
Die Arphater hatten die Straße inzwischen frei geräumt. Ejo war zurück auf sein Pferd gestiegen, und mit einer herrischen Geste gab er den Befehl zum Weiterreiten. Langsam setzte sich der Zug in Bewegung, trabten die Hufe der Pferde über das steinerne Pflaster der Straße, auf dem dunkle Flecken von der Schlacht kündeten, die hier stattgefunden hatte.
Sie nächtigten in einem Dorf am Fuß des Yanur-Se-Gebirges. Von den Bewohnern, vermutlich Ziegenhirten, war keine Spur zu sehen; sie schienen sich angstvoll in die Berge zurückgezogen zu haben, bevor die Gesandtschaft ihr Dorf erreicht hatte. Die Unterbringung war ebenso schlicht wie in den vorangegangenen Nächten; die Arphater scheuten keine Mühen, es den Gesandten so ungemütlich wie möglich zu machen. Zur Mahlzeit wurden salzige Kuchen aus Lauch und Rettich gereicht, als Schlafplatz dienten einfache Lager aus Wolldecken.
Mit Anbruch der Dunkelheit schwand die brütende Hitze, und es wurde so kalt, dass Baniter selbst unter der Wolldecke fror. Schlaflos wälzte er sich auf dem harten Lager umher. Seine Gedanken weilten bei Jundala, seiner Gemahlin. Er versuchte sich vorzustellen, wie sie im Thronsaal von Thax an der Seite der Fürsten saß, wie ihre klugen Augen aufmerksam das Geschehen verfolgten.
Ich weiß, du bist schlau und vorsichtig, Jundala; es ist unnötig, dass ich mir Sorgen mache.
Er presste eine Hand auf die Stirn; starrte mit weit aufgerissenen Augen in die Finsternis.
Doch warum habe ich dann solche Angst um dich? Warum fürchte ich - nun, da ich fern von Thax bin und keinen Einfluss auf die Geschehnisse im Silbernen Kreis habe
-,
dass dir etwas zustoßen könnte?
Es gelang ihm erst nach einer ganzen Weile, Schlaf zu finden.
Am nächsten Morgen brachen sie früh auf, noch vor Sonnenaufgang. Der Weg der Pracht führte nun aufwärts ins Gebirge, zum Pass von Yanur-Se. Das Gebirge bestand aus gelbem, sandigem Gestein; an einigen Stellen brachen zwischen den Felsbrocken verwachsene Sträucher hervor, deren Strünke wie vertrocknete Finger wirkten. Ein heißer, tückischer Wind begleitete sie; oft verlor er sich zwischen den Felsen, schien beinahe verschwunden. Dann aber setzte er mit jähem Brüllen wieder ein, riss den Reisenden die Tücher vom Kopf oder schlug ihnen Sandstaub ins Gesicht, bis ihre Augen zu tränen begannen.
Am Gipfel des Yanur-Se erkannte man die Umrisse einer mächtigen Festung; hohe Mauern aus rauem Gestein, über die sich ein zinnenloser Turm erhob. Die heiße Luft ließ sein Abbild flimmern und erweckte die drohende Festung zu unheimlichem Leben.
»Die Augen von Talanur«, wisperte Mestor Ulba, der erneut neben Baniter ritt, »die Stirn der Zornigen! König Pakot-Naar ließ diese Burg errichten, um Candacars Heer schon von weitem seine Unbeugsamkeit zu zeigen. Dreimal wurde sie erstürmt, dreimal zerstört und dreimal wiedererrichtet. Sie ist das Zeichen für Arphats unbändigen Willen, die Welt zu bezwingen.«
Baniter schwieg. Die Burg erinnerte ihn auf unangenehme Weise an Thakstel, den Palast von Thax. Auch Thakstel war ein arphatisches Bauwerk und verströmte einen ähnlich morbiden Charme. Verärgert wandte er seinen Blick von der Festung ab. Stattdessen richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Sänfte der Dichterin, hinter der er ritt. Sie schwankte heftig unter den strauchelnden Bewegungen der Pferde. Lyndolin Sintiguren hatte den Sonnenschutz der Sänfte zurückgeschlagen. Mit eingesunkenen Schultern kauerte sie auf dem unbequemen Sitz. Sie wirkte erschöpft; doch auch sie schaute zu der Festung auf, die Mestor Ulba ein weiteres Mal pries.
»Die Augen von Talanur blicken voller Stolz vom Yanur-Se herab. Im Süden sehen sie die Dünen der Wüste, im Norden das Flussbett des heiligen Stromes Nesfer, an dessen Ufern die glorreiche Stadt Praa liegt. Und sie sahen das Reich wachsen und gedeihen, sahen seinen glanzvollen Aufstieg und die Blüte seiner Macht.« Der Siegelmeister hielt ergriffen die Luft an.
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