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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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daran Freude habt, Siegelmeister! Ich werde im Tempel bleiben!«
    Ausgezeichnet! Hier bist du am besten aufgehoben.
Baniter erhob sich. »Wann werden die Festlichkeiten beginnen, Ulba?«
    Dem Siegelmeister war seine Aufregung anzumerken. »Seht zum Fluss! Die Menschen versammeln sich bereits am Ufer des Nesfer. Ich denke, dass in wenigen Stunden die ersten Opferungen stattfinden.« »Dann werde ich mich solange zurückziehen«, gab Baniter zurück. »Die Sonne brennt mir ohnehin zu heiß vom Himmel. Vielleicht gelingt es Euch unterdessen, den jungen Suant in die Geheimnisse des Turmspiels einzuweisen.« Ohne das Protestgeheul des Adeligen abzuwarten, schritt er zurück in die Tempelhalle. Es dauerte eine Weile, bis seine Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, das im Inneren des Tempels herrschte. Nur wenige Sonnenstrahlen fanden ihren Weg durch die zahlreichen bunten Tücher, die zwischen den Säulen gespannt waren. Ihre Ränder waren mit flachen Eisenscheiben besetzt, die mit hellem Klang aneinander schlugen, wenn der Wind von außen über sie strich.
    Als Baniter eintrat, blickten die arphatischen Dienerinnen auf, die auf dem Boden der Halle beieinander saßen. Dienstbeflissen eilten sie dem Fürsten entgegen, doch Baniter wies sie an, ihn allein zu lassen. Höflich zogen sie sich zurück. Nur ein junges Mädchen, das dunkle Haar zu einem Zopf zusammengebunden, verweilte in der Tempelhalle, um den Fürsten mit scheuen Augen anzusehen.
    Baniter schritt auf sie zu und blieb vor ihr stehen. Er hob die Hand, und zärtlich strich er über ihren bloß liegenden Arm, über die glatte, hellbraune Haut. Sie lächelte und schlug die Augen zu Boden. Dann drehte sie sich um und zog sich zurück.
    Baniter blickte ihr wehmütig nach.
Ich muss wahnsinnig sein, mich von ihr verführen zu lassen.
Seit seiner Ankunft in Praa war keine Nacht vergangen, in der das Mädchen nicht bei ihm gewesen war. Er hatte erst gar nicht versucht, sie zurückzuweisen; und er konnte nicht leugnen, dass er es genoss, ihren gerade erst erblühten Körper zu besitzen. Doch seine Angst wuchs, dass ein Gerücht über das ›Geschenk‹ der Königin den Weg nach Thax finden könnte. Zwar hatte Baniter auch in Gehani, der Hauptstadt seines Fürstentums, so manche Geliebte gehabt - geduldet von seiner Gemahlin Jundala, die sich selbst ihre Freiheiten gönnte. Doch was würde der Thronrat zu seinen Liebesnächten mit der jungen Arphaterin sagen? Das ›Gespann‹ hatte seine Kundschafter überall.
Du bist ein Narr, Baniter Geneder, wenn du glaubst, in Arphat ohne Gefahr herumhuren zu können!
Auch wenn Baniter das ›Geschenk‹ der Königin weder zurückweisen konnte noch wollte, nahm er sich vor, über dem Liebesspiel mit der jungen Arphaterin nicht seine Wachsamkeit zu vergessen.
    Seufzend ließ Baniter sich auf einem Seidenkissen in der Mitte der Halle nieder. Es ruhte vor einem mannshohen Standbild aus Marmor, welches den Gott darstellte, dem dieser Tempel geweiht war: Norfes, Gott der Zwietracht und Lüge, ein feister, sich auf dem steinernen Sockel räkelnder Mann, umschwärmt von zahlreichen Kobolden und Geistern, die sich an seinen üppigen nackten Leib schmiegten, mit ihren aus absurd geweiteten Mäulern hängenden Zungen an seinen Armen entlangleckten oder rittlings auf seinen Schenkeln hockten und sich an diesen rieben. Norfes selbst, der mit den Händen einen Giftbecher umklammerte, ließ die eigene Zunge bis auf den feisten Wanst herabhängen. Es war die Zunge einer Schlange -lang, dürr und gespalten. Auch sein erhobenes Gemächt war einer Schlange nachempfunden, die das Maul angriffslustig aufgerissen hatte; und die Krone, die der Gott auf seinem nackten Schädel trug, entpuppte sich bei genauer Betrachtung als ein wildes Knäuel ineinander verhedderter Schlangen, deren Giftzähne die Zacken der Krone bildeten.
    Baniter blickte kopfschüttelnd zu der Statue auf.
Wie kann man für einen solchen Unhold einen so prächtigen Tempel unterhalten?
Mestor Ulba hatte ihm erzählt, dass Norfes im Volk gefürchtet war, denn er herrschte über die Wesen der Dunkelheit, über die Geister und Dämonen. Der Siegelmeister hatte ihm weiterhin verraten, dass die Norfes-Priester der Königin als Spione, geheime Boten und Meuchelmörder dienten, Kreaturen der Verschlagenheit und Hinterlist.
Wie viele von ihnen treiben sich wohl am Palast in Thax herum, ohne dass der Silberne Kreis es ahnt? Und wie viele der Dienerinnen, die Sentschake uns unterstellte,

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