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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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ebenso wie ich; und doch glaubt er, ihn überwinden zu können.
Ihr kam das Angebot in den Sinn, das Rumos ihr an jenem Abend in der verfallenen Schenke gemacht hatte.
Wenn du mir dienst, werde ich dir etwas gewähren, wonach du dich schon lange sehnst. Ich werde dir zur Rache an dem Mann verhelfen, der dich verriet: an Tarnac von Gyr, deinem einstigen König.
War es tatsächlich das, wonach sie sich sehnte? War sie bereit, für diese Rache in den Dienst eines Zauberers zu treten, der noch unberechenbarer war als Balicor?
    Immer wieder hatte sich Ashnada gefragt, warum sie Balicor jenen Schwur geleistet hatte, der sie in seinen Dienst zwang. Balicor hatte ihr Leben verschont, und seitdem war sie ihm gefolgt, hatte sein Leben beschützt und in seinem Namen gemordet, um ihm den Aufstieg in der Tathril-Kirche zu sichern. Hatte sie sich je an den Schwur gebunden gefühlt? Oft genug hatte sie mit dem Gedanken gespielt, dem verhassten Prior des Nachts die Kehle durchzuschneiden und sich so von ihm zu befreien. Es gab nichts, was sie daran gehindert hätte. Ihr Ehrgefühl war in dem Augenblick gestorben, als Tarnac von Gyr sie und ihre Gefährten verraten hatte. Tarnac von Gyr - immer wieder führten ihre Gedanken zu diesem Namen zurück. Tarnac von Gyr! Ashnada war sechzehn gewesen, als sie in die Gemeinschaft der Gnadenlosen aufgenommen worden war. Ihr Vater, ein Feldherr mit großem Einfluss am Hof in Nagyra, hatte diesen Weg für sie vorgesehen.
›Es mangelt dir an der Stärke eines Mannes, doch mit dem Schwert bist du so flink und gnadenlos, dass es mir Angst macht,
hatte er stets gesagt. Und so hatte er dafür gesorgt, dass Ashnada in die ehrenvolle Gemeinschaft der Gnadenlosen aufgenommen wurde - die Meuchler der Krone, die allein dem König verantwortlich waren. Man fürchtete sie wegen ihrer Grausamkeit, doch gleichzeitig brachte man ihnen Bewunderung entgegen, denn sie gehörten zu den Igrydes, den Geschworenen des Königs, denen es gestattet war, mit ihm zu speisen und seine Hand zu berühren. Denn der König war ein Sohn der Götter, und die Igrydes waren durch den Umgang mit ihm gesegnet. Ashnada erinnerte sich, wie stolz sie gewesen war, als Tarnac sie zum ersten Mal berührt hatte, im zweiten Jahr ihrer Ausbildung. Er hatte seine Hand auf ihren Kopf gelegt, auf ihre Schultern,
›meine Schwesten,
hatte er ihr ins Ohr geflüstert,
›Blut von meinem Blut, Fleisch von meinem Fleisch, beseelt von meinem Willen‹ -
die heiligen Worte, die sie endgültig zur Igrydes geweiht hatten.
›Meine Schwester‹,
so hatte Tarnac sie genannt, und sie hatte sich ihm in blinder Verehrung unterworfen, so wie es ihr seit Kindestagen eingetrichtert worden war. Jeder Blick seiner Augen hatte ihr fortan als höchste Ehre gegolten, jede Berührung als besondere Auszeichnung. Die Nähe und das Wohlwollen des Königs waren für sie, der mit Abstand jüngsten Frau in den Reihen der Igrydes, zum einzigen Lebenssinn geworden. Gleich, welchen Befehl der König ihr in diesen Jahren erteilt hätte, sie hätte ihn ohne zu zögern ausgeführt, und wenn es ihren Tod bedeutet hätte.
    Im siebten Jahr nach ihrer Berufung hatte Tarnac von Gyr sie zu sich gerufen. Er hatte sie lange gemustert, sie von oben bis unten prüfend angesehen.
›Das wilde Mädchen ist zu einer Frau herangewachsen,
hatte er mit seiner eigentümlichen, leisen Stimme gewispert.
›Als ich dich zum ersten Mal sah, entdeckte ich in deinen Augen ein Funkeln, das mir deine bedingungslose Treue verriet, und wie ich sehe, hast du es dir bewahrt
Voller Stolz hatte Ashnada ihren König angeblickt; den schlanken, zähen Körper, den kahl rasierten Schädel, das schmale Gesicht mit den raubtierhaften Zügen, die viele als Ausdruck seiner Grausamkeit deuteten.
›Ich diene Euch, mein König‹,
hatte sie geantwortet,
›gleich, welche Aufgabe Ihr für mich vorgesehen habt.‹
Tarnac von Gyr hatte sie aufmerksam betrachtet.
›Oh, dieses Funkeln - da ist es wieder
Er hatte ein heiseres Lachen ausgestoßen.
›Neun Jahre lang hat man dich in der Gemeinschaft der Gnadenlosen ausgebildet, und man sagt, du seiest mit dem Schwert begabter als jeder Mann. Meine Feinde sollen deine Klinge zu spüren bekommen, und das Funkeln deiner Augen sollen sie fürchten. ‹
Mit diesen Worten hatte er sie nach Morthyl entsandt, als Anführerin einer Gruppe von dreißig weiteren Igrydes, um dort Chaos und Verwirrung zu stiften, um Angst und Schrecken auf der Insel zu verbreiten, die das Königreich Gyr

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