Nebelriss
hatte.
Er war es gewesen, der sie nach Thax geschickt hatte, in der Hoffnung, dass dort ein wohlhabender Graf oder Baron Gefallen an ihr fände.
›Wer weiß‹,
hatte er zum Abschied scherzend gesagt,
vielleicht wirft gar der Kaiser ein Auge auf dich. Vielleicht wird meine hübsche Tochter noch Kaiserin.
Ceyla schritt auf dem verschneiten Pfad, der in den Wald führte. Sie presste die Lippen aufeinander.
›Du weißt, dass sich ein Mädchen aus dem niederen Adel nicht als Kaiserin eigne,
sprach eine Stimme in ihr. Es war die Stimme Tundia Suants. Ceyla sah das Gesicht der Baronin vor sich, die strengen Augen, das hervorspringende Kinn, die breiten Wangenknochen, und sie spürte die Kälte, die von ihrer Stimme ausging.
›Gehfort aus Thax; geh fort, solange du noch kannst.
‹ Sie spürte, dass Tränen in ihre Augen stiegen.
Kann ich es denn? Ist es nicht längst zu spät?
Sie hatte niemals Kaiserin werden wollen. Als Akendor sie zum ersten Mal in sein Schlafgemach gebeten hatte, hatte sie nicht gewagt, seine Einladung zurückzuweisen. Zudem hatte sie durchaus Gefallen gefunden an dem jungen Kaiser, der ihr seit ihrer Ankunft in Thax begehrliche Blicke zugeworfen hatte. Was er mit ihr getan hatte, war fremd für sie gewesen, ungewohnt und aufregend zugleich. Sie hatte Dinge getan, von denen ihr die Eltern nie erzählt hatten; allein ihr Körper hatte sie erahnt.
Am Anfang war es wie ein Rausch gewesen. Dann aber war die Angst gekommen - Angst vor Akendors Gegenwart. Diese Angst wurde so stark, dass sie bald jedes andere Gefühl verdrängte. Verwirrt fragte sich Ceyla, ob die Liebe zu Akendor nur Einbildung gewesen war. Warum fühlte sie sich oft so unwohl in seinen Armen, warum fühlte sie sich so schmutzig, wenn er sie berührte? Warum sehnte sie ihn manchmal trotzdem herbei oder träumte von ihm oder ertappte sich dabei, leise seinen Namen vor sich hinzuflüstern? Es machte alles keinen Sinn, keinen Sinn …
›Sie haben sie zerrissen wie ein junges Reh‹,
hörte sie wieder Tundias Stimme in Gedanken. Ceyla blieb stehen, die Augen geschlossen, und lauschte dem Wind, der kalt ihren Nacken streifte.
Keinen Sinn … all das macht keinen Sinn …
Jäh schreckte sie auf. Pferdegetrappel! Eine Gruppe von acht Reitern schnellte zwischen den Bäumen hervor. Wehende Mäntel, die Köpfe unter Fellmützen verborgen. Wie angewurzelt blieb Ceyla auf dem Pfad stehen und starrte ihnen entgegen.
Sie kamen dicht vor ihr zu stehen. Der erste Reiter sprang vom Pferd und eilte auf Ceyla zu, die Fellmütze herabreißend. »Ceyla!«, rief er ihr zu. Dann war er bei ihr, packte ihre Schultern, riss sie an sich. Kalt und rau waren seine Wangen, doch seine Zunge war nass und warm. Sie schloss die Augen. Es
macht keinen Sinn, sich aufzulehnen.
»Was tust du hier draußen?«, fragte Akendor vorwurfsvoll. »Und warum bist du allein? Du hättest einen Ritter zur Begleitung mitnehmen sollen!«
Ceyla öffnete die Augen. »Verzeiht mir, mein Kaiser.«
»Du kannst meinen Namen ruhig aussprechen«, zischte er. »Noch gilt er etwas in diesem Land!« Die anderen Reiter waren unterdessen abgestiegen. Ceyla erkannte den Troublinier Garalac, der sie aus trüben Augen anstarrte.
»Du kommst heute sehr früh«, sagte sie ausweichend. »Ich dachte, dass heute der Thronrat tagt und du deshalb später bei mir sein würdest.«
Akendor lachte auf. »Der Thronrat … du hättest dabei sein sollen!« Seine Augen glänzten. »Sie gehen sich bereits gegenseitig an die Kehle! Es ist eine Freude mit anzusehen, wie sie um meine Gunst streiten. Und sie alle hören auf mich - sie kuschen vor mir! Selbst Binhipar wagt es nicht, mir zu widersprechen.« Er küsste Ceyla übermütig auf die Stirn. »Ich war ein Narr, dass ich ihnen so lange die Führung des Reiches überließ. Jetzt erst bin ich, was ich immer hätte sein sollen - ihr Herrscher! Ihr Kaiser!« Er strich zärtlich über ihre Wange. »Und du wirst meine Kaiserin sein, Ceyla.«
Sie antwortete nicht. Doch sie wandte den Kopf ab, um seiner Berührung auszuweichen. Er schien es nicht zu bemerken.
»Sobald der Aufstand in Thax niedergeschlagen ist, werde ich unsere Vermählung bekannt geben«, fuhr Akendor fort. »Was meinst du, welche Schmach es für Binhipar bedeutet, dass ich ausgerechnet ihm die Vorbereitungen für das Fest übertragen habe!« Seine Hand glitt unter Ceylas Pelzmantel. Sie fühlte seine eiskalten Finger über ihre Brüste wandern, und ihre Haut schien unter der Berührung zu
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