Nebelriss
»Die Zauberkunst der Goldei ist zutiefst verdorben«, fuhr Magro Fargh fort. »Sie gewinnen ihre Macht auf eine fremde, mir unbekannte Weise. Doch ich versichere Euch: Diese Magie stammt nicht von Tathril, unserem Herrn!« Er streckte die knochige Hand aus. »Mein Kaiser! Ihr Fürsten des Reiches! Wir müssen diese Kreaturen vernichten. Wir müssen ihnen die heiligen Quellen, die sie erobert haben, wieder entreißen. Es ist Tathrils Wille!«
Baniter lächelte. Magro Farghs inbrünstig vorgetragene Worte hatten Eindruck bei den anderen Fürsten hinterlassen. Langsam erhob er sich. »Ihr hört, auch der Hohepriester der Kirche ist der Meinung, dass wir gegen die Bedrohung vorgehen müssen.«
Der Kaiser, der bisher eher abwesend gewirkt hatte, nickte zustimmend. »Ich denke, Fürst Baniter hat Recht. Es wäre unverantwortlich, die Gefahr weiterhin zu ignorieren.«
»Genau aus diesem Grund haben wir diese Sitzung einberufen, mein Kaiser«, behauptete Scorutar. »Nachdem Ihr mehrere Kalender tatenlos zugeschaut habt!«, rief Arkon Fhonsa empört. Die meisten Fürsten nickten zustimmend. Baniter konnte nur mühsam ein Lächeln verbergen.
Die Stimmung wendet sich gegen dich, Scorutar! Wie willst du dich aus dieser Schlinge herauswinden?
»Diese Unterstellung ist infam«, antwortete Scorutar gelassen. »Wir haben die Ereignisse mit wachsamen Augen verfolgt und so gehandelt, wie das Wohl des Reiches es erfordert.«
»Ist es im Wohl des Reiches, ein heranrückendes Heer bewaffneter, zauberkundiger Echsen zu ignorieren?«, höhnte Baniter.
Scorutar lächelte. »Wie wenig Ihr doch vom Kriegshandwerk versteht! Es gilt, den Feind zu beobachten und seine nächsten Schritte zu bedenken.« Seine Hand fuhr hastig über die ausgebreiteten Karten. »Unseren Informationen nach sammeln sich die Goldei nördlich von Larambroge. Einzelne Horden durchstreifen das Land und besetzen die verbliebenen aufständischen Burgen und Städte.« Er zeigte langsam auf eine rot markierte Fläche östlich Kathygas. »Der Großteil des Heeres ist hingegen in Richtung Westen aufgebrochen. Es ist nur zu offensichtlich, was ihr nächstes Ziel werden soll … sie wollen auf Arphat marschieren!«
Schweigen.
Arphat! Es war erstaunlich, welche Gefühle dieses Wort noch immer auszulösen vermochte, nach all den Jahren. Von einem Moment auf den anderen schienen die Gesichter der Fürsten wie verwandelt, und ihre Augen glitzerten kalt, kaum dass jenes Wort gefallen war. Arphat! Der Name des Todfeindes. Das Land der Heimtücke und des Verrats, der Kriegstreiber, der Vertragsbrecher …
»Das ist nun einmal eine gute Nachricht«, geiferte es vom Ende der Tafel. Natürlich! Hamalov Lomis, die armselige Marionette des ›Gespanns‹. Er liebte es, die Dinge auf den Punkt zu bringen, vor allem, wenn dies überflüssig oder unangebracht war. »Ich hoffe, dass sie Arphat dem Erdboden gleichmachen; jedes Haus anzünden, jedes Feld verwüsten und die Arphater in Stücke reißen. Mir soll es recht sein.« Hamalovs Augen hingen an den Lippen des Kaisers, und als dieser nickte, fuhr er ermutigt fort. »Wie viele Kriege haben sie gegen uns angezettelt? Wie oft haben sie unsere Provinzen geplündert? Seitdem Arphat existiert, hat der Süden darunter gelitten. Unsere Vorfahren wurden unter der Sonnenflagge versklavt und ermordet, und als wir die Tyrannen vertrieben, planten sie unsere Vernichtung. Seitdem versuchen sie, unser Reich zu zerstören.«
»Und oft schien es, als könnte es ihnen gelingen«, pflichtete ihm Fürst Vildor bei. »Es ist kaum fünfzehn Jahre her, dass ihre Heere in Thax einmarschierten; dass ihre Krieger diese Stadt, die heute Hauptstadt unseres Reiches ist, mit ihren bluttriefenden Stiefeln schändeten.«
Welch ein pathetischer Schwachsinn,
dachte Baniter verärgert.
Der Kaiser nickte. »Ja, ich erinnere mich. Es war ein furchtbarer Krieg.« Seine Stimme war leise, kaum zu vernehmen. »Ich weiß noch, wie ein Bote meinem Vater die Nachricht überbrachte. Wie zornig war er! Ich weiß, wie er vor mir stand und mich anschrie, als wäre es meine Schuld. ›Ich zahle es ihnen heim‹, schrie er, ›ich werde sie alle erschlagen, jeden Einzelnen! ‹ - und dann zog er das schwarze Kaufmannsgewand an, ließ sich seinen Helm bringen, sein Schwert, und ging fort, ohne ein Wort zu sagen …«
Die Fürsten senkten betroffen den Blick. Kaiser Torsunt war gefallen in dieser Schlacht, während des letzten Sturms auf die fliehenden Truppen Arphats. Akendor
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