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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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verloren.«
    »Dann solltet Ihr in Euren Gebeten Tathril um Hilfe in unserem Kampf gegen die Goldei bitten«, unterbrach ihn Scorutar ungeduldig. »Das ist Eure Aufgabe, Priester; unsere hingegen ist es zu handeln.«
    »Ihr wisst nicht, was diese Kreaturen sind«, sagte der Hohepriester mit verbitterter Stimme. »Und wie solltet Ihr auch. Ihr wisst nichts von den Träumen, die mich Nacht für Nacht heimsuchen.« Er tastete mit seiner linken Hand nach seinem Begleiter, der ihn stützte. »Tathril hat mir die Gabe der Magie verliehen. Mit diesem Geschenk bin ich niemals leichtsinnig umgegangen; ich habe seine Kostbarkeit erkannt und nutze es nach Tathrils Willen. Jahr und Tag habe ich mein Wissen und meine Macht geschult, und heute ist sie so groß, dass ich mich ihr nicht mehr entziehen kann. Keine Sekunde, in der ich nicht ohne die Magie bin; mein Leben ist durch sie bestimmt, und auch mein Tod wird es sein.«
    Zeit wäre es ja,
dachte Baniter.
    »Dies ist Tathrils Segen«, flüsterte Magro Fargh. »Doch manchmal erscheint er mir wie ein Fluch. Als die Goldei aus dem Nichts zu uns kamen, spürte ich sofort ihre verdorbene Macht; sie legte sich wie flüssiges Blei um meine Sinne …«, er fuhr sich mit der Hand über den Schädel, »… die Sphäre erzitterte vor ihnen und tobte. In der Nacht bin ich mit ihnen allein, bin ihnen ausgeliefert. Je näher sie zu uns dringen, desto stärker kann ich sie fühlen! Hass ist es, der sie beseelt, kalter, gottloser Hass; oft scheint es, als gälte er allein mir und meinesgleichen; und doch weiß ich, dass dies nicht die ganze Wahrheit ist.«
    »Wer kennt schon die ganze Wahrheit«, höhnte Scorutar. »Tatsache ist, dass Ihr trotz Eurer magischen Fähigkeiten ebenso ratlos seid wie wir. Oder wisst Ihr, woher die Goldei gekommen sind?« Noch immer hielt der Greis die Lider geschlossen, auch wenn Baniter glaubte, hinter ihnen seine Augen hin und her tanzen zu sehen. »Nein, das ist mir unbekannt. Doch ich weiß, warum sie hier sind. Die magischen Quellen sind es, nach denen sie dürsten - die heiligen Orte, an denen Tathril die Magie band. Sie werden nicht ruhen, bis sie die letzte in ihre Gewalt gebracht haben.«
    Baniter horchte auf. Der Sermon des Alten begann interessant zu werden. »Solche Gerüchte sind auch mir zu Ohren gekommen«, rief er. »Es heißt, dass die Goldei sich während ihres Eroberungsfeldzuges besonders für die magischen Universitäten der Logen interessiert haben. In Candacar haben sie vier Schulen der Solcata dem Erdboden gleichgemacht, und aus Gyr hört man ähnliche Gerüchte.«
    Perjan Lomis musterte Baniter mit besorgtem Blick. »Dann werden ihre magischen Kräfte dank der eroberten Quellen von Tag zu Tag größer.«
    »Diesen gotteslästerlichen Kreaturen geht es nicht um Macht«, sagte Magro Fargh mit heiserer Stimme. Er hielt kurz inne; seine bläuliche Zunge kam zwischen den Lippen hervor und befeuchtete sie mit einem schmierigen Film. »Sie wollen die Quellen schänden und sie aus ihren Grenzen befreien, die der heilige Durta Slargin ihnen setzte, um das Gleichgewicht zwischen Eis und Feuer, zwischen Wachstum und Dürre zu wahren. Wenn die Quellen in die Hände der Goldei fallen, werden die Kräfte der Natur wieder unkontrollierbar sein wie einst in der Alten Zeit. Dann werden wieder Feuerstürme über die Welt jagen, werden die Wälder unsere Städte überwuchern, die Moore unsere Dörfer verschlingen, die Meere unsere Küsten fortspülen. Der Fluch der Sphäre, vor dem Tathril die Menschheit rettete, wird uns ein zweites Mal heimsuchen.« Während dieser Worte öffnete er die Augen: winzige blinde Flecke, die im Licht der Öllampen trübe schimmerten.
    Angewidert wandte sich Baniter von Magro Fargh ab. Sein Blick streifte das Gesicht des jungen Priesters, der Magro Farghs Körper stützte, und er bemerkte, dass dieser seinen Blick erwiderte. Für einen Moment glaubte Baniter in den dunkelgrauen Augen des Jungen Hass zu erkennen, hervorgerufen durch die Worte des Hohepriesters. Doch dann schlug der junge Priester rasch die Augen zu Boden.
    Baniter erschauderte. Es gab etwas an diesem Jungen, das Unbehagen in ihm hervorrief. Der hasserfüllte Blick widersprach gänzlich der Unterwürfigkeit, mit der er zuvor den Hohepriester in den Raum geführt hatte. Aufmerksam beobachtete Baniter das narbengezeichnete Gesicht des jungen Priesters. Es drückte Teilnahmslosigkeit aus, doch Baniter war davon überzeugt, dass er das Gespräch sehr genau verfolgte.

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