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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Bettler erreicht und mischte sich unter sie, verschwand in dem Gedränge der abgemagerten Leiber und wehenden Lumpen. Die Ritter brachten ihre Pferde zum Stehen.
    Bars Balicor spürte Angstschweiß auf der Stirn. Sein Herz raste. »Ergreift ihn!«, schrie er plötzlich. »Bei Tathril, bringt mir diesen Bettler!«
    Ungläubig sahen sich die Ritter an. »Lasst das Lumpenpack doch laufen«, rief einer der Männer. »Die werden so schnell nicht wiederkommen.«
    »Ich sagte, ihr sollt ihn ergreifen!«, schrie Balicor. »Er hat mich angegriffen! Habt ihr es nicht gesehen?« Die Bettler hatten bereits das Ende des Platzes erreicht, teilten sich auf und strömten auf die Gassen zu, die in den Platz mündeten.
    Der Tempelritter wendete sein Pferd. »Welcher von ihnen war es?«, fragte er verunsichert. Verzweifelt suchte Bars Balicor die große Gestalt unter den fliehenden Bettlern. Konnte sie nicht finden - wo war er, wo?
    »Bringt sie mir alle!«, brüllte er. »Tot oder lebendig, bis ihr ihn gefunden habt. Bei Tathril, worauf wartet ihr?« Der Ritter sah ihn kopfschüttelnd an. »Das könnt ihr nicht ernsthaft von uns verlangen! Wir können unsere Waffen nicht gegen wehrlose Bettler richten. Wir sind Ritter der Kirche.«
    »Und es ist MEINE Kirche!«, entfuhr es Balicor. »Es ist meine Kirche, und ihr seid meine Ritter; also bringt mir diesen Bettler, verdammt! Oder willst du, dass ich dich …«
    Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Balicor fuhr herum. Er blickte in Ashnadas Gesicht. »Beruhigt Euch, Prior«, sagte Ashnada leise. »Und sagt nichts, was Ihr später bereut.«
    Balicor starrte sie hasserfüllt an. »Du wagst es, mir Ratschläge zu erteilen?« Er schlug ihr ins Gesicht. Sie nahm den Schlag hin, ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Wo bist du gewesen?«, fauchte Balicor. »Hast du nicht gesehen, dass mich der Bettler bedroht hat? Welch eine hervorragende Leibwache habe ich mir genommen! Tathril konnte mir deine Unfähigkeit nicht trefflicher unter Beweis stellen!«
    »Sagt mir lieber, was geschehen ist!«, zischte Ashnada.
    »Ich sah, dass Ihr mit einem der Bettler spracht und er Euch etwas zuwarf. Was hat er …«
    Balicor wandte sein Pferd. »Es ist gleichgültig.«, murmelte er voller Verachtung. »Er ist fort.« Längst schon waren die Bettler in den dunklen Gassen verschwunden. »Bring mich zum Tempel«, befahl er harsch. »Und schweig; ich kann dein Geschwätz nicht mehr hören.«
    Ashnada warf stolz die blonden Haare zurück und stieg von ihrem Pferd. Sie nahm Balicor die Zügel aus der Hand und führte beide Tiere auf das inzwischen weit geöffnete Tor des Tempels zu.
    Bars Balicor schloss die Augen. Er musste sich zwingen, aufrecht zu sitzen, nicht in sich zusammenzusacken. Denn in seinem Kopf schien sich nun alles zu drehen … wüste Gedanken, Erinnerungen brachen hervor; ein grauenvolles Bild: ein Mann von großer Gestalt, der vor ihm kniete, schmutzig und verdreckt, die Augen höhnisch auf ihn gerichtet; er, Bars Balicor, in der Hand einen Dolch, den er langsam nach vorne richtete, bis die Klinge den faltigen Hals des Mannes berührte, seine Finger zitterten, als er zustieß; der Kopf des Mannes wippte nach hinten, ein gurgelndes Geräusch, dickes schwarzes Blut quoll hervor, ein dichter Strahl, zäh, klebrig, zäh … Eine Münze fiel zu Boden.
    Balicor stöhnte und presste die Handballen an die Schläfen. In seinem Magen breitete sich langsam, ganz langsam das beklemmende Gefühl schmutziger Angst aus; eine Angst, die er längst überwunden geglaubt hatte.

KAPITEL 4 - Schlamm
    Du liebst sie, die Dunkelheit. Sie umgibt dich wie ein Schleier, dämpft deinen Schmerz, betäubt deine Sinne. Du fühlst dich in ihr geborgen, Laghanos.‹
    Da war sie wieder, die Stimme. Sie drang aus dem Nichts, ruhig und körperlos, wie vom Wind getragen. Doch da war kein Wind; kein Wind und kein Licht - nichts als undurchdringliche Finsternis.
    ›Du liebst die Dunkelheit^ fuhr die Stimme fort. Verkriechst dich in ihr; glaubst, sie könne dich vor uns bewahren. Welch ein Irrtum! Hörst du nicht meine Stimme? Sie kannst du nicht aus deinem Bewusstsein verbannen.‹
    Stumm lauschte Laghanos dem Raunen, dem Wispern: ein wirres Geflecht sich wiederholender Worte, fremder Laute, irritierender Klänge. Und er wusste, dass es der Rotgeschuppte war, der zu ihm sprach: Aquazzan, der Anführer der Goldei.
    Wie viele Tage waren vergangen, seit sie ihn von jener Lichtung fortgeschleppt hatten? Nachdem er Sorturo ein letztes Mal

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