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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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gesehen hatte - den entstellten Körper seines Meisters, zusammengehalten durch Fleisch und Silber und nackte Furcht - war Laghanos in eine tiefe Ohnmacht gesunken. Sah nicht und hörte nicht, wohin die Goldei ihn verschleppten, was sie ihm antaten. Um ihn war nichts als Dunkelheit. Und doch war er bei Bewusstsein, durchlebte jeden Augenblick der quälenden Finsternis. Ihm schien es, als wären seine Augen weit aufgerissen, ohne dass ein Lichtstrahl sie erreichen konnte, und wenn er schrie, hörte er die eigene Stimme nicht. Der Zustand, in den sich Laghanos versetzt hatte, war eine Meditation der Malkuda, die ihm Sorturo beigebracht hatte. Man nannte sie die Innere Versenkung, und nichts fürchtete Laghanos mehr, als aus dieser Versenkung zu erwachen. Nur so war er vor den Goldei sicher. Solange er schlief, konnte ihm der Rotgeschuppte nichts anhaben. Er mochte einen Weg gefunden haben, mit seiner Stimme zu ihm zu dringen, doch er hatte keine Macht über ihn.
    ›Ein armseliges Versteck hast du dir gewählt«, wisperte Aquazzan. ›Gegen die Finsternis, die wir durchschritten haben, ist dein Schlaf ein jämmerliches Innehalten. Wirst bald erwachen müssen.« Laghanos wusste, dass der Goldei die Wahrheit sprach. Die Innere Versenkung ließ sich nicht ewig aufrechterhalten. Seine Konzentration ließ nach. Lange konnte er das Erwachen nicht mehr hinauszögern. ›Wir können nicht warten«, zischte der Goldei verärgert. ›Es wird Zeit, dich zu formen.«
    ›Nein!‹, dachte Laghanos im Stillen. ›Einmal schon habe ich dich aus meinem Traum vertrieben, und ich kann es wieder tun. Ich bin stärker, als du glaubst.« Seine Gedanken wurden zu einer Stimme, ebenso fremd und körperlos wie das Raunen des Goldei.
    ›Wir erscheinen dir fremd und grausam«, hörte er Aquazzan sagen. ›Als wir eure Welt erreichten, schien sie uns ebenso feindlich zu sein.«
    Nicht zuhören! Nicht zuhören! Laghanos versuchte, sich der Stimme des Goldei zu entziehen. Doch da war sie wieder, lauter und fordernder als zuvor.
    ›Der erste Schritt war grauenvoll. Eure Luft zu atmen, euer Licht zu sehen, euren Boden unter den Füßen zu spüren. Die Schmerzen … denkst du, wir haben uns dieser Qual aus freiem Willen ausgeliefert?« ›Niemand hat euch gebeten, über unsere Welt herzufallen!«, schrie Laghanos. ›Lasst mich gehen! Ich bin nutzlos für euch.«
    ›Sollst nicht für uns von Nutzen sein«, antwortete der Goldei. ›Für deine Welt, für euch Menschen. Wirst es schon bald begreifen! Nichts von dem, was du über uns zu wissen glaubst, was deine falschen Lehrer dir eingeflüstert haben, ist wahr. Deine Welt ist nicht, wie sie scheint, hat sich verändert, seit wir zu euch gekommen sind. Wir sind keine Rächer, keine Feinde. Die Wahrheit, Laghanos, reicht tiefer! Es wird Zeit brauchen, bis du sie verstehst - bis du denkst wie wir, bis du fühlst wie wir …‹
    ›Das wird niemals geschehen!«, rief Laghanos entsetzt.
    ›Wirst uns aus freien Stücken folgen«, erwiderte der Goldei.
    ›Du kannst mich gegen meinen Willen festhalten, mich quälen und töten«, schrie Laghanos, ›doch du kannst mich nicht zwingen, dein Schüler zu sein.«
    ›Du täuschst dich«, fauchte der Goldei. ›Noch verbirgst du dich vor uns, und in deine Seele vermögen wir nicht zu dringen. Doch dein Körper gehört uns! Werden ihn formen, so wie Drafur es vorgesehen hat. Und bald wirst du erkennen, wieso wir gekommen sind.«
    ›Ihr wollt die Quellen befreien!«, stieß Laghanos hervor. ›Ihr zerstört die Grenzen, mit denen die Magie in Schranken gehalten wird.«
    ›Es ist eure Schuld, dass die Quellen euch nichts als Hass entgegenbringen«, wisperte Aquazzan. ›Ihr habt sie so viele Jahrhunderte gequält. Doch auch ihr Zorn wird sich eines Tages legen …‹
    ›… wenn Drafur kommt«, flüsterte Laghanos - und verstummte.
Was habe ich gesagt? Dieses Wort, woher kenne ich es?
Er spürte sein Herz pochen, das Blut in seinen Adern pulsieren. Drafur … was bedeutete dieses Wort?
    Ein Raunen setzte um ihn ein, ein rauer Klang wie aus zahlreichen Kehlen. Fast wie ein Lachen. ›Drafur … ich werde ihn dir zeigen«, zischte Aquazzan, ›wirst ihn sehen, und nichts wird sein wie zuvor.« Die Finsternis wich. Laghanos spürte Schweiß auf seiner Stirn, spürte den Schmerz in seine Glieder zurückkehren; und er wusste, dass es vergeblich war, sich weiter dagegen aufzulehnen.
    Dann sah er eine Klaue aus dem Nichts auftauchen. Bronzefarben schimmerten die

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