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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Narren, Euer Knie gebeugt habt. Habt Ihr geschworen, sein Leben mit Eurem eigenen zu verteidigen? Ihm in jeder Stunde der Gefahr zur Seite zu stehen?« Er tupfte mit seinen Fingern vorsichtig an die scharfe Klinge des Säbels. »Zweifellos habt Ihr ihm ewige Treue bis in den Tod gelobt - Euren arglosen Gesichtern zu entnehmen, gar noch darüber hinaus.« Er wies mit der Säbelspitze auf den ersten Ritter. »Periston Aderint, Baron von Locra und Schildträger des Königs. Man sagt, Ihr hättet König Eshandrom während des Krieges gegen Arphat dreimal das Leben gerettet. Und Ihr«, er deutete auf den zweiten Ritter, »seid Graman Serffa, der Ritter mit dem geborstenen Helm. Ihr tragt ihn zwar nicht bei Euch, aber ich habe Euch dennoch erkannt der Schwertbruder des Königs, eine wahre Legende. Es heißt, Ihr führt Euer Schwert so schnell, dass die Klinge in der Luft zu glühen beginnt.« Cercinor lächelte die Ritter selbstzufrieden an. »Die Leibgarde König Eshandroms hat sich hier versammelt, hat trotz aller Eidesschwüre ihren König verlassen und ist in den Süden geflüchtet. Und warum?« Er breitete die Arme aus, als gälte es, lang verschollene Freunde zu empfangen. »Um mir ihre Aufwartung zu machen - mir, Cercinor dem Unbeugsamen, einem Schurken und Räuber und Gesetzesbrecher! Die zwei berühmtesten Ritter Kathygas statten dem verhassten Cercinor, der Geißel des Rochenlandes, einen Besuch ab. Nicht nur das, sie wollen sich ihm gar unterwerfen! Sie wollen an seiner Seite kämpfen, Schulter an Schulter mit dem Mörder, den sie all die Jahre vergeblich jagten.« Er ließ die Arme sinken. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Wieso bloß glaube ich Euch nicht? Wieso glaube ich, dass Ihr mich vielmehr zum Narren halten wollt und ich Euch besser von meinen Leuten an diesen Baum hier knüpfen lassen sollte, so wie Ihr es mit unsereins zu tun pflegt?«
    Die Ritter wechselten vorsichtige Blicke. Dann erhob einer der beiden - es war Periston Aderint, ein dreißigjähriger Mann mit braunem Haar und einem runden, fleischigen Gesicht - die Stimme. »Ich kann Euer Misstrauen verstehen, Cercinor. Uns geht es nicht anders. In meinen Augen seid Ihr ein Aufständischer und ein Verbrecher. Würde ich Euch unter anderen Bedingungen treffen, so zögerte ich keinen Augenblick, um Euch mit meinem Schwert für Eure Taten zur Rechenschaft zu ziehen.«
    Cercinor lachte vergnügt auf. »Doch es herrschen andere Bedingungen, nicht wahr? Und was für welche! Aus mir, dem einstigen Aufständischen, ist über Nacht ein aufrechter Rebell des besetzten Kathygas geworden, aus dem einstigen König ein Verräter - und aus seinen Rittern flüchtige Eidbrecher.«
    »Von Euch brauche ich keine Belehrungen über Eide!«, zischte Periston Aderint.
    »Vielleicht braucht Ihr aber Belehrungen, wie Ihr Euch gegenüber dem Herrn des Rochenlandes zu verhalten habt«, schrie Cercinor in plötzlichem Zorn. »Seht Euch um! Seht Euch mein Reich an!« Mit der rechten Hand wies er über ihre Köpfe hinweg, und ihre Blicke folgten seiner Bewegung.
    Sie standen auf dem Felsabsatz eines Hügels, der sich steil über den Wipfeln des Arkwaldes erhob. Bis zum Horizont erstreckte sich ein Meer aus bittergrünen Tannen, nur vereinzelt durchbrochen von den goldenen und roten Schleiern herbstlich gefärbter Laubbäume. In der Ferne sah man einige Rodungen und Dörfer, und der Arkensprung, jener schmale Fluss, der sich durch das Rochenland schlängelte, war nur als schwarzer, gewundener Riss in der Walddecke zu erkennen.
    In ihrem Rücken aber warf sich wie ein grauer Schatten der erste Ausläufer des Rochen empor: raues, zerklüftetes Gestein, das in schroffen Felsvorsprüngen, in stelenförmigen Zacken den Wald auseinanderriss. Wenn sie ihre Köpfe wandten, konnten sie in der Ferne - vom Nieselregen in grauen Dunst getaucht - den Rochen selbst sehen, jenes gewaltige Gebirgsmassiv, das wie eine Mauer Kathyga vom Silbermeer trennte. »In seinem Schatten verblasst jede Macht«, sagte Cercinor. »Bereits die candacarischen Könige glaubten, dieses Gebiet sei ihnen Untertan. Narren! Auf den Landkarten gehörte es ihnen, doch ihre Herrschaft endete bereits am Rand des Arkwaldes. Das Rochenland war niemals ein Teil Candacars, und ebenso wenig wurde es ein Teil Kathygas. Euer feiger König hat ganze Heere entsandt, um uns unserer Freiheit zu berauben; er hat sogar in Surgissa einen Baron berufen, damit dieser in seinem Namen unsere Dörfer ausbeutet und die Bewohner als

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