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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Augen verdüsterten sich. »Vielleicht ist es eine Falle, ein Hinterhalt.«
    Ashnada lachte auf. »Wer sollte uns ausgerechnet vor dem Tempel von Thax auflauern? Es hätte in den letzten Tagen bessere Gelegenheiten gegeben, uns zu überfallen.«
    »Wir können nicht vorsichtig genug sein!«, bellte Bars Balicor. »Du weißt, dass ich nur wenige Freunde habe; und ich glaube kaum, dass ich während unserer Reise neue hinzugewonnen habe. Wer einmal in die hasserfüllten Augen eines Kurators geblickt hat, dem die Tempelkasse gepfändet wird, der weiß, dass er fortan keine ruhige Nacht mehr verbringen wird.« Er strich nervös über die ledernen Zügel in seiner Hand. »Denke etwa an diesen grässlichen Priester in Movimar, der unserer Kirche zwanzigtausend Goldstücke vorenthalten wollte. Hast du sein falsches Lächeln bemerkt, als er uns verabschiedete? Ich wette, dass er keinen Moment zögern würde, um eine Hand voll Mörder zu dingen!«
    Ashnada lachte auf. »Ihr habt keine hohe Meinung von Kirchenmännern, obwohl Ihr selbst einer seid. Habt Ihr kein Vertrauen zu diesen geweihten Männern?«
    »Diese ›geweihten Männer‹ halten sich Huren in den Tempeln und versaufen mit ihnen das Gold der Kirche«, antwortete Balicor. »Jeder lässt sich von einem Graf oder Fürsten, einem Pfeffersack oder Zuhälter kaufen und tritt das Ansehen Tathrils in den Schmutz.«
    »Wie verdorben diese Welt doch ist«, spottete Ashnada.
    Balicor starrte die hoch gewachsene Kriegerin argwöhnisch an. »In der Tat. Es ist bedauerlich, dass unser Hohepriester nicht mehr dazu fähig ist, in den Provinzen für Ordnung zu sorgen.«
    »Wie gut, dass wenigstens der Prior ein Mann der Tugend ist!«, fügte Ashnada lächelnd hinzu. »Hüte deine Zunge, Ashnada, ich rate es dir!«, entfuhr es Bars Balicor. Angewidert beobachtete Ashnada, wie sein fleckiges, entstelltes Gesicht im Fackelschein schimmerte, im Zorn verzerrt zu einer absurden Fratze. Das lange graue Haar des Priesters hatte sich gelöst, klatschte in nassen Strähnen um seine Wangen. »Ich habe dich nicht am Leben gelassen, um mir dein dummes Geschwätz anzuhören. Wenn du nicht lernst, mich zu respektieren, werde ich mich nach einer anderen Leibwache umsehen müssen - und dich dorthin zurückschicken, wo ich dich hergeholt habe.«
    »Verzeiht mir, Prior!« Sie setzte ein unschuldiges Lächeln auf. »Kommt, wir sind müde und durchnässt; im Tempel warten ein heißes Bad und ein gutes Mahl auf uns.« Ohne eine Antwort abzuwarten, gab sie ihrem Pferd die Zügel.
    Bars Balicor schaute ihr mit finsterem Blick nach. Dann wandte er sich seinen noch immer wartenden Begleitern zu. »Wir reiten in den Tempel«, befahl er. »Gebt auf das Gesindel Acht, das sich vor dem Tor versammelt hält!« Er wartete, bis ihre Pferde an seiner Seite waren. Dann ritt er los, die Augen misstrauisch zusammengekniffen. Balicor war der Prior von Thax. Der Oberste Diener des Tempels zum Silbernen Mund Tathrils. Der Erste unter den Mönchen des Ordens der Erhabenen Heiligkeit. Der Heermeister der Lichtbewehrten Tempelritter. Dies waren nur einige seiner Titel, tatsächlich eine nahezu bescheidene Auswähl der Würden und Amter, die er im Verlauf seiner Karriere angehäuft hatte. Nicht an alle konnte er sich entsinnen; viele hatte er vor langer Zeit erworben, als er noch Kurator der Insel Morthyl gewesen war. Morthyl … er dachte nur ungern an die elende Insel, an die verlorenen Jahre zurück. Und doch, auf Morthyl hatte sein langsamer, hart erkämpfter Aufstieg begonnen, der steinige Weg, an dessen Ende die Ernennung zum Prior von Thax gestanden hatte: das zweithöchste Amt innerhalb der Kirche Tathrils, über ihm nur der Hohepriester - und Tathril selbst.
    »Tathril selbst«, flüsterte Bars Balicor vor sich hin, »und bald er allein!« Ja, bald schon, wenn Tathril endlich seine Gebete erhörte, und das würde er, bestimmt. Zehn Tage lang würde Balicor ihm auf Knien dafür danken, im tiefsten und innigsten Gebet, ohne eine einzige Mahlzeit einzunehmen, das schwor er, und er würde den Tempel von Thax mit Gold ausschlagen lassen. Jeder Besucher sollte die Augen schließen, geblendet von dieser Pracht; keine geringere Gabe könnte seine Ergebenheit vor Tathril besser zum Ausdruck bringen! Die Gasse führte zum großen, kreisrunden Tempelplatz. Dort erhob sich zwischen schmalen Steinhäusern die weiße Kuppel des Tempels zum Silbernen Mund Tathrils.
    … Vielleicht sollte er ihn auch ganz abreißen lassen und das

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