Nebelriss
Schuppen der Echsenhand, die auf ihn zuschoss, sich auf sein Gesicht legte. Laghanos versuchte zu schreien, doch das Grauen erstickte jeden Laut. Und so blieb er stumm, als sich die Krallen mit einem hellen, mechanischen Laut in seinen Kopf bohrten, in seine Schläfen, seine Stirn, seine Wangen; tiefer und tiefer drangen sie, und in seinem Kopf hämmerte ein Schmerz, der ihn nicht mehr loslassen wollte.
Sie standen dicht gedrängt, die Schultern müde nach vorn gebeugt, die Blicke gesenkt. Die Haare klebten ihnen in der Stirn und im Nacken, ihre Gesichter waren rau und unrasiert. Auf den ersten Blick wirkten sie wie heruntergekommene Banditen. Nur ihre Schwerter und Rüstungen, auf denen unter verkrustetem Schlamm das Wappen Kathygas zu erkennen war, verrieten ihre tatsächliche Herkunft.
»Ein Eid ist schon eine seltsame Sache - nicht wahr, meine Freunde? Tausende werden Tag für Tag auf der Welt geschworen, und in der gleichen Zeit werden doppelt so viele gebrochen. Menschen gehen für einen Eid in den Tod, andere morden in seinem Namen, stellen ihn über alles, vor allem über den eigenen Verstand … denn der Verstand und der Eid sind wie die Freiheit und die Weiber: beides kannst du nicht haben.«
Der Mann, der diese Worte sprach, lehnte unweit der beiden Ritter an einem der wenigen Bäume, die zwischen den Felsbrocken hervorsprangen. Er hatte die Arme theatralisch vor sich verschränkt. Mit belustigter Miene beobachtete er die müden Ritter; nur gelegentlich tauschte er kurze Blicke mit seinen Gefährten aus, die ihn umringten. Es schien, als wollte er sich vergewissern, dass sie ihre Säbel weiterhin gezückt hatten; denn obwohl die zwei Ritter kaum in der Lage waren, sich zur Wehr zu setzen, wollte Cercinor kein unnötiges Risiko eingehen.
»Seien wir ehrlich«, fuhr er fort, »die meisten halten es mit dem Schwören wie mit einem sauer gewordenen Wein - sauf ihn ruhig, doch behalte ihn nur so lange im Magen, wie er dir keinen Ärger macht. Ansonsten steck dir rasch den Finger in den Hals, denn er raubt dir nur den Platz für das nächste offene Fass! So muss man saufen, und so muss man schwören - habe ich Recht, meine Freunde?«
Cercinor war von kleiner, kräftiger Statur. Auch wenn er das vierzigste Lebensjahr bereits hinter sich gelassen hatte, leuchteten seine blauen Augen noch immer voll jugendlichem Spott. Die schwarzen Haare, die ihm an den Schläfen bereits ausgingen, hatte er kurz geschoren. Sein einfaches Leinengewand unterschied sich nicht von der Kleidung seiner Kameraden. Zudem trug Cercinor weder ein Zeichen noch eine Waffe, die ihn als Anführer ausgewiesen hätten. Und so waren es allein die ehrfürchtigen Blicke seiner Gefolgsleute, die verrieten, dass er Cercinor der Unbeugsame war, wie man ihn im Süden Kathygas nannte.
Cercinor lächelte die Ritter an. »Ich will Euch ein Geheimnis anvertrauen. Auch ich habe einmal einen Eid abgelegt, vor vielen Jahren, kurz bevor ich zu dem wurde, was ich heute bin. Ich erinnere mich noch genau, wie ich die Worte mit treuherzigem Blick in das aufgedunsene Gesicht meines damaligen Herrn hauchte - eines fetten Kaufmanns aus Surgissa, dessen Geiz nur noch von seinem Misstrauen übertroffen wurde. Ich musste ihm schwören, sein Leben auch in höchster Gefahr zu beschützen, seinen Besitz mit all meiner Kraft zu verteidigen - und, ihr werdet es kaum glauben, seine Tochter weder zu berühren noch anzusehen … ein wunderhübsches Ding, fünfzehn Jahre alt und Haare wie aus geflossenem Gold.« Er grinste zu seinen Kameraden herüber. »Kurz darauf wurde ich zum dreifachen Eidbrecher.« Er fiel in das dröhnende Gelächter seiner Gefährten ein. Einer der beiden Ritter hob den Kopf und starrte Cercinor voller Verachtung an. »Wenn Ihr vor uns mit Euren Schandtaten angeben wollt, habt Ihr Euch das falsche Publikum ausgesucht. Wir sind aus einem anderen Grund gekommen. Steckt endlich Eure Waffen weg und lasst uns vernünftig miteinander reden.«
Cercinor verschluckte mühsam sein Lachen. »Haltet Ihr meine Ausführungen für unvernünftig? Wie bedauerlich … ich hätte darauf schwören können, dieses Mal etwas Geistreiches gesagt zu haben. Doch so ist das mit dem Schwören - Ihr gestattet doch, wenn ich darauf zurückkomme!« Er beugte sich zu einem seiner Gefährten herüber und ließ sich dessen Säbel geben. Dann schritt er langsam auf die Ritter zu. »Ich frage mich, was wohl Eure Eidesworte gewesen sind, als Ihr vor König Eshandrom, dem alten
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