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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Kleid saß eng um ihre Hüften. Ihr Haar - sie trug es offen, es reichte ihr bis zu den Schultern - war voll und von einer kräftigen Farbe. Akendor stellte verwirrt fest, dass sie längst nicht so hässlich war wie in seiner Erinnerung. Ihre Gesichtszüge waren ihm früher grob erschienen. Nun erweckten das hervorspringende Kinn, die Nase, die breiten Backenknochen den Eindruck von Stolz; und ihr einst plumper Körper erschien ihm plötzlich weiblich und kräftig. Zwar war sie nach wie vor alles andere als attraktiv; nichts hatte sie von der filigranen Eleganz ihrer Familie geerbt. Sie war das Gegenteil ihres Bruders Scorutar, der mit seiner erstarrten Schönheit das Wesen der Suant vollkommen verkörperte. Doch Tundia hatte im Lauf der Zeit eine andere Art von Schönheit erlangt, die sich weder beschreiben noch erklären ließ.
    »Ich wusste nicht, dass du am Hof bist!«, sagte Akendor. »Man hat es mir verschwiegen.«
    »Es gibt vieles, was man dir verschweigt«, erwiderte Tundia. »Ich kam schon vor Tagen, zusammen mit Scorutar. Man brachte mich in einer Taverne in der Stadt unter. Ich wollte dir nicht über den Weg laufen.« Sie wich seinem fragenden Blick aus. »Ich habe mich in den Straßen umgesehen. Es hat sich nichts verändert in Thax. Die Menschen, die durch die Gassen strömen, scheinen dieselben zu sein wie damals. Ich sah dieselben Kaufleute am Steinmarkt ihre Waren verschachern, dieselben Bettler am Straßenrand sitzen, dieselben Spielleute ihre Gaukeleien treiben. In Thax ist die Zeit stehen geblieben, findest du nicht?«
    »Ich bin lange nicht mehr dort unten gewesen«, gab Akendor zu. »Die ständigen Volksaufläufe und Jubeleien ertrage ich nicht. Die Freude der Menschen ist nicht ehrlich.«
    »Natürlich ist sie das nicht. Warum sollte sich das Volk freuen, einen Kaiser zu sehen, der sich das ganze Jahr in seinem Palast verkriecht?« Tundias Stimme war voller Schärfe. »Einen Kaiser, dessen Name selbst vielen unbekannt ist.«
    »Ich habe oft an dich gedacht«, unterbrach Akendor sie. »Immer wieder habe ich, Scorutar nach deinem Befinden gefragt; wie es dir geht, wie du dich in Condul eingelebt hast.«
    »O ja, ich hörte davon«, höhnte Tundia und ließ seine Hand los. »Und ich danke dir für die Perlen, die du mir zur Geburt meiner Tochter geschenkt hast. Es war eine große Ehre für mich, dass der Kaiser den Nachwuchs des Hauses Thim mit solcher Großzügigkeit bedenkt.«
    »Wie geht es dem Mädchen?«, fragte Akendor gezwungen. »Ich würde sie gern sehen.«
    »Das kannst du. Ich habe sie mitgebracht.« Tundia drehte sich um und gab dem Kämmerer ein Zeichen. Er nickte und verließ den Raum.
    Akendor warf den Blick zu Boden. »Du musst mich sehr hassen, Tundia«, sagte er stockend, »und ich verstehe das. Dass ich dich bloßstellte … es zuließ, dass sie dich mit Bliskor vermählten.«
    Tundia lachte grimmig auf. »Es muss dir nicht Leid tun. Bliskor ist ein guter Ehegatte, ein bisschen alt zwar und zuweilen etwas jähzornig, doch was macht es schon; immerhin ist er der Baron von Condul, ein Erbe des Hauses Thim…« Sie strich sich mit der Hand eine Strähne aus der Stirn. »Ach, vergiss es, Akendor, vergiss es!« »Wenn er dir je etwas angetan hat«, zischte Akendor, »musst du es mir nur sagen, und ich werde ihn …« »Er hat mir eine Tochter geschenkt«, sagte Tundia leise. »Das hat mich am Leben erhalten.« Schritte. Akendor blickte sich um. Der Kämmerer war zurückgekehrt. An der Hand führte er ein Kind, ein kleines Mädchen in einem hellen Kleid. Kurzes braunes Haar, die Augen groß und schüchtern. Als es seine Mutter entdeckte, machte es sich von der Hand des Dieners los und rannte auf Tundia zu. Es klammerte sich an ihr Bein und starrte Akendor mit einer Mischung aus Furcht und Neugier an.
    Akendor lächelte. Er kniete sich zu dem Kind herab, sah ihm in die Augen. »Ich grüße dich, Suena. Nicht wahr, das ist dein Name?« Das Mädchen nickte langsam. Akendor strich ihm über den Kopf. »Wie alt bist du?« Verunsichert blickte Suena zu ihrer Mutter empor. Schließlich hob sie die Hand und streckte einige Finger aus. »Vier«, presste sie zwischen den Zähnen hervor.
    Akendor seufzte. »Vier Jahre …« Er ließ seine Zunge über die Unterlippe rollen. »Soll ich dir etwas erzählen, Suena? Als ich so alt war wie du, schenkte mir mein Vater einen Hasen; einen weißen Hasen mit roten, lustigen Augen. Es war mein erstes eigenes Tier, ich durfte ihn füttern, ihn im

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