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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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beschwichtigend die Hand. »Der fromme Kurator schmuggelte dich aus deiner Gefängniszelle, und stattdessen musste eine andere Gefangene, die dir ähnlich sah, im Feuer sterben. Denn die geifernde Masse wollte sie brennen sehen: die schöne Meuchelmörderin aus Gyr, die blonde Hexe, die ganz Morthyl gefürchtet hatte. Doch das Volk ergötzte sich an den Qualen einer Unschuldigen. Die wahre Ashnada hatte sich ihr Leben erkauft, indem sie sich jenem korrupten Kurator als Leibwächterin verdingte.« Mit spitzen Fingern drückte er den Docht der Kerze aus, und eine Rauchfahne stieg auf. »Wie viele Menschen hast du in seinem Auftrag getötet? Wie viele Priester hat Bars Balicor beiseite räumen lassen, um sich den Aufstieg zum Erzprior zu sichern?«
    Ashnada schwieg. Dann, mit einer raschen Bewegung, stürzte sie nach vorne und stieß mit dem Schwert zu. Sie traf den Mann in der Brust; bis zur Hälfte drang die Klinge in seinen Leib. Ashnada wurde vom Schwung ihres Stoßes mitgerissen, knallte mit den Knien gegen den Tisch, fiel zu Boden, und der Griff des Schwertes entglitt ihren Fingern.
    Ein Zittern ging durch den Leib des Alten. Stöhnend griff er nach dem Schwert. Dunkles Blut schoss aus der Wunde, als er die Klinge langsam herauszog. Er ließ Ashnada dabei nicht aus den Augen; und sie sah mit Grauen, dass ihr Stoß ihn nicht getötet hatte. Als die Spitze des Schwertes aus seinem Körper glitt, schoss ein letzter Blutschwall, schwarz und dickflüssig, aus der Wunde; doch er versiegte kurz darauf. Kraftlos ließ der Alte die Waffe zu Boden fallen. Er nahm die Augen nicht von Ashnada. »Ein … guter Stoß«, stieß er mit angestrengter Stimme hervor. »Ich … hatte nicht … mit ihm gerechnet …«
    Ashnada sprang empor und griff nach dem besudelten Schwert. Ihre Augen blitzten vor Zorn, als sie die Waffe hob.
    Abwehrend hob der Alte die Hände. »Mich … kannst du nicht töten, Ashnada … und du würdest auch deinem Herrn Bars Balicor … einen … schlechten Dienst erweisen …«
    Ashnada riss den Tisch beiseite. Der Alte wich zurück. »Ich bin sein Schicksal, Ashnada … er will das Amt des Hohenpriesters übernehmen … aber dazu braucht er meine Hilfe!«
    Sie holte erneut aus und zielte auf seinen Hals. Der Alte duckte sich, versuchte sich mit den Händen zu schützen. Dann schlug Ashnada zu … und schriiiiiiiiiie auf! Ein stechender, glühender Schmerz! Der Gestank versengenden Fleisches! Rot glühte das Schwert in ihrer Hand, zischend schälte sich die Haut von ihren Knochen, fiel in schwarzen Flocken herab. Brüllend ließ Ashnada das Schwert fallen, riss ihre Hand an sich, sackte zu Boden. Mit einem Klirren fiel die Öllampe zur Seite, und das Licht erlosch. Allein das verglühende Schwert war in der Finsternis zu erkennen.
    »Auch Balicor hat versucht, mich zu töten«, zischte die Stimme des Alten, nun wieder voller Kraft. »Es ist sinnlos. Ich könnte dich jetzt mit deinem eigenen Schwert erschlagen, Ashnada, doch ich will dich am Leben lassen. Ich werde dich noch brauchen - so, wie Bars Balicor dich gebraucht hat.«
    »Wer bist du?«, stieß Ashnada mit schmerzverzerrter Stimme hervor.
    »Mein Name ist Rumos. Ich bin ein alter Gefährte Bars Balicors, ein Glaubensbruder. Ich bin gekommen, weil er meine Hilfe benötigt.« Der Alte stand nun direkt vor Ashnada; sie konnte den Schemen seiner riesigen Gestalt sehen. »Als Bars Balicor dich vor dem Feuer rettete, musstest du schwören, ihm zur Seite zu stehen, bis er das Amt des Hohepriesters erworben hat - nicht wahr, Ashnada?«
    Sie nickte hastig. Die Furcht schnürte ihr noch immer die Kehle zu.
    »Balicor wird sein Ziel bald erreicht haben. Der jetzige Hohepriester liegt im Sterben, und unser geschätzter Erzprior wird sein Nachfolger sein. Dann endet deine Verpflichtung gegenüber Bars Balicor. Und weil ich dich am Leben lasse, wirst du danach mir dienen - meinem Befehl.«
    »Nein!«, zischte Ashnada. »Ich werde mich nicht ein zweites Mal einem Zauberer verpflichten.« Die Stimme des Alten war voller Hohn. »Stolz ist in deiner jetzigen Lage unangebracht. Aber gut - ich will dir ein Angebot machen. Wenn du mir dienst, werde ich dir etwas gewähren, wonach du dich schon lange sehnst. Ich werde dir zur Rache an dem Mann verhelfen, der dich verriet: an Tarnac von Gyr, deinem einstigen König.«
    Ashnada blickte ihn ungläubig an.
    Der Alte lachte auf. »Ja, Ashnada - es wird der Tag kommen, an dem du Rache nehmen kannst - an dem Mann, den du so lange

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