Nebelschleier
ein zierlicher Brunnen plätscherte, eröffnete sich ihm ein weiter Rundblick auf das sonnenbeschienene Itztal.
Dann spazierte er hinüber zum Schwanensee, der eigentlich nur ein etwas größerer Teich war, auf dem aber immerhin stolz ein schwarzes Schwanenpaar dahinglitt, und ließ sich im Schatten auf einer der verwitterten Steinbänke nieder. Dieses ganze Gelände bis hinüber zur Turniersäule, an der sich die Sonnenuhr befand, hatte ihnen als Revier für ihre Räuber-Schander- oder Ritter-Spiele gedient. Später war die alte Bank der Treffpunkt für so manches heimliche Rendezvous gewesen. Er war 13 oder 14 damals und zum ersten Mal verliebt. Angermüller seufzte und fühlte sich plötzlich ziemlich alt. Julia und Judith durchlitten jetzt wahrscheinlich ähnliche Wonnen und Seelenqualen wie er damals.
Bei diesem Gedanken fiel ihm ein, dass er ja noch einmal zu Hause anrufen wollte, denn er hatte am Vorabend nur dem Anrufbeantworter erzählen können, dass er gut angekommen war. Leider hatte er sein Handy im Zimmer liegen lassen. Auf der Straße belebte es sich. Er sah, dass die ersten Polizeiautos den Park verließen, und erhob sich.
Langsam schlenderte die Gruppe der Leute aus dem Dorf wieder Richtung Heimat und natürlich wurde das Geschehen in der Felsengrotte eifrig kommentiert.
»Mich würd’s fei net wundern, wenn da jemand nachgholfen hätt beim alten Steinlein«, sagte jemand.
»Da gibt’s einige, die mit dem noch e Rechnung offen ham«, stimmte Erwin Motschmann zu. »Ich mein, ich bin mit dem immer prima auskomma, aber zum Beispiel der Hofmanns Walter, dem hat er ja praktisch die Existenz zerstört!«
»Des stimmt! Der is wegen dem Steinlein pleitegegangen, musst sei Gastwirtschaft aufgeben, hat des Haus verlorn und hat nur noch des Notwendigste zum Leben!«
»Der hätt des doch gar net machen könne, jemand umbringe. Des is doch e kranker, alter Mann!«, widersprach Angermüllers Mutter. »Und dass du mit dem Steinlein gut gekonnt hast, is ja a net wahr! Ihr habt doch sogar prozessiert wecha dem Waldstück da!«
»Ach Quatsch! Was erzählstn du da!«
Motschmann warf einen Seitenblick auf Angermüller.
»Mir ham des vor Gericht geklärt und dann war’s gut.«
»Ja, aber er hat recht gekriegt und du bist ihm noch vorm Gerichtssaal an die Gurchel gange!«
Seine Mutter war so leicht nicht ruhigzustellen.
»Des is doch e Ewigkeit her!«
»Na und?«
»Vielleicht isses ja auch wecha derer Gentechnik«, mischte sich eine andere Frau ein, die Georg als die Nachbarin von gegenüber erkannte. »Ich hab ghört, der wollt alle seine Grundstücke an irgend so eine Firma verkaufen, die dann da Versuche drauf macht, und eigentlich sind mir ja alle da dagegen.«
»Wieso alle? Da gibt’s ein paar Leut, die dene ihr Land gern verkaufen würden«, widersprach Motschmann.
»Du wohl auch?«
»Ja, warum denn net?«
»Weil des gfährlich is für uns alle!«
»Mir is des doch wurscht!«
Der alte Motschmann wurde immer lauter.
»Was die da machen mit derer Gentechnik, da weiß niemand, wie sich des emal auswirkt!«, warnte die Nachbarin.
»Na und, dann guck ich mir schon längst die Kartoffeln von unten an.«
»Du bist halt scho lang kei Bauer mehr und Kinder haste a net. Des find ich fei schlimm, dass du so redst.«
»Die Else hat recht! Schlimm ist des!«, pflichtete Angermüllers Mutter der Nachbarin bei. Erwin Motschmann hatte schon vor 20 Jahren die Landwirtschaft aufgegeben und als Vertreter für eine Landmaschinenfirma eine Menge Geld verdient. Auf seinem großen Gehöft lebte er mittlerweile allein, seit seine Frau vor ein paar Jahren gestorben war. Und er besaß immer noch reichlich Land. Er warf den beiden alten Frauen einen wütenden Blick zu.
»Ihr alten Waschweiber! Ihr habt doch ka Ahnung von derer Gentechnik!«, er machte eine heftige Wegwerfbewegung mit dem Arm. »Ach, lasst mich doch in Ruh mit euerm blöden Gekäu!«
Und damit rannte er davon. Die beiden alten Frauen schüttelten mit den Köpfen und verbreiteten sich noch eine Weile über das aufbrausende Naturell des Mannes.
»Haste scho ghört, dass der Schwarzens Jung wieder ausm Gfängnis raus is?«, fragte dann die Nachbarin.
»Naa! Is des wahr?«
Angermüllers Mutter blieb vor Staunen stehen und stemmte ihre Arme auf die Hüften, während die Nachbarin heftig nickte.
»Des würd mich fei net wundern, wenn der den Bernhard nei der Grottn gschubst hätt! Es wurd ja immer gsacht, dass er wecha dem überhaupt erscht
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