Nebelsphäre - haltlos (German Edition)
von heute nachholen. Und die Übungszettel für diese Woche habe ich auch noch nicht alle fertig.“
„Aber du kommst zum Abendessen?“
„Das lässt sich mit Sicherheit einrichten“, antwortete sie lachend.
Nach dem Imbiss zogen sie sich aufs Sofa zurück. Jaromir entzündete das Holz im Kamin mit einem Zauber wie schon die Windlichter bei ihrem Picknick vor einer Woche.
„Eine Woche? Ist das wirklich erst eine Woche her?! Es kommt mir so vor, als wäre ich schon mein Leben lang mit Jaro verbunden…“ Victoria lehnte entspannt mit ihrem Rücken an seiner Brust und spürte die Nähe.
Er schlang seine Arme um sie und sagte: „Mir geht es genauso wie dir. Ich fühle mich erst jetzt vollständig.“
Sie saßen eine Weile einfach nur da, schauten in die lodernden Flammen und genossen das Beisammensein.
Nach einer Weile sagte Jaromir: „Da du heute keine Magie wirken darfst, könnte ich dir etwas über uns Drachen erzählen. Hast du Lust dazu?“
Sie drehte sich lächelnd zu ihm um und meinte lässig: „Das hört sich gut an. Dann legen Sie mal los, Herr Professor!“
Er schlug wieder seine Geometrie-Erklär-Stimme an: „Du hast bereits gesehen, dass wir nicht immer so versteckt und unauffällig gelebt haben wie heute.“
Victoria nickte und er fuhr fort: „Tatsächlich haben sich Drachen und Menschen Jahrtausende lang diese Welt miteinander geteilt. Das geschah natürlich nicht immer konfliktfrei: Es gab Kriege zwischen einzelnen Drachen und verschiedenen Menschengruppen, aber in der Regel lief das Zusammenleben relativ friedlich ab. So mancher Drache besaß aufgrund seiner Fähigkeiten ein großes Anwesen. Einige beschäftigten sogar Menschen. Die meisten Drachen aber lebten zurückgezogen in der Wildnis.“
Victoria runzelte die Stirn. „War das Leben in der Natur nicht ziemlich primitiv? Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass einer wie du in einer kargen Höhle hockt und ganz allein vor sich hin denkt.“
Jaromir lachte leise. „Unsere Reisemöglichkeit durch die Nebelsphäre hat uns zu jeder Zeit mit dem Rest der Welt verbunden – auch wenn wir tatsächlich hunderte von Kilometern von der nächsten Ortschaft entfernt lebten. Und du vergisst, dass damals noch offen Magie ausgeübt wurde. Damit kann man sich so manche Annehmlichkeit erlauben. Im Übrigen habe ich mir sagen lassen, dass es auch unter den Menschen viele begabte Magier gab. Die meisten von ihnen wurden an speziellen Akademien ausgebildet und gehörten danach der herrschenden Oberschicht an.“
Sie drehte den Kopf und sah ihn verwundert an. „Menschliche Magier?! Und warum sind heute alle davon überzeugt, dass es keine Magie gibt?“
Jaromir lächelte sie an. „Tja, der Auslöser dafür liegt heute mehr als siebenhundert Jahre zurück.“ Dann lehnte er sich bequem ans Sofa, zog sie näher an sich und begann zu erzählen.
Unter den Menschen hatte es sehr mächtige Magier gegeben. Diese wollten ebenso wie die Drachen durch die Nebelsphären reisen, stellten aber fest, dass ein Mensch allein in den Nebeln umkommt. Also rissen sie große Tore in die Weltenmembran und versuchten so etwas wie Tunnel durch die weiße Sphäre zu bauen. Dies gelang nach vielen missglückten Experimenten irgendwann und nun konnten auch die Magier weite Distanzen in kürzester Zeit überwinden.
Nach einigen Jahren aber tauchten die ersten Werwölfe, Vampire und andere dunkle Wesen auf. Die Drachen fanden heraus, dass Dämonen durch die Tore gekommen waren und Menschen angefallen hatten, die sich danach in Wesen der Nacht verwandelten. Es wurde immer schlimmer und bald waren alle Kontinente davon betroffen.
Nach ungefähr fünfzig Jahren – Mitte des vierzehnten Jahrhunderts – brachten die Dämonen die Pest in diese Welt. Die Epidemie wütete mehrere Jahre und raffte tausende Menschen und hunderte Drachen dahin. Die Drachen beschlossen, die Gefahren endgültig zu bannen und die Tore wieder zu versiegeln. Die Magier waren damit jedoch alles andere als einverstanden. Gerade vielen mächtigen Zauberern war es egal, dass das gemeine Volk leiden musste. Sie selbst konnten sich ohne Probleme gegen die meisten Plagen aus den Nebeln behaupten und lebten oft zu isoliert, um von der Pest betroffen zu sein.
Es kam zu einem Krieg, den die Drachen gewannen. Mit großer Anstrengung gelang es den Himmelsechsen danach, die Tore notdürftig zu verschließen und die Wesen der Nacht zu töten. Sie standen jedoch vor dem Problem, dass die Menschen wieder erstarken
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