Nebelsphäre - haltlos (German Edition)
darauf anspielen willst“, gab Lenir mit einem breiten Grinsen zurück. „Nein, Abrexar hat eine Vertretung geschickt und mich nach Hamburg beordert.“
Jaromir zog erstaunt eine Augenbraue hoch. „Was will unser Mentor denn von dir? Hast du was angestellt?“
„Jede Menge, aber davon dürfte Abrexar nichts zu Ohren gekommen sein. Außerdem hieß es in seiner Nachricht, dass er mein besonderes Talent benötigen würde. Wahrscheinlich soll ich auf die Schnelle das Vertrauen von irgendwelchen Menschen gewinnen. Wenn es ums Zaubern gegangen wäre, dann hätte er wohl eher nach dir geschickt.“ Beim letzten Satz lachte er laut und sein tiefer Bass kribbelte in Victorias Bauch.
Jaromir lachte mit und fragte dann: „Und wie lange kannst du bleiben? Es sieht Abrexar gar nicht ähnlich, dass er dir ein paar Tage Urlaub gönnt.“
Lenir grinste von einem Ohr zum anderen. „Das hat unser guter Mentor auch nicht. Aber die Ablösung kam einen Tag zu früh, also konnte ich schon heute aufbrechen und muss erst morgen Mittag in Hamburg sein.“
Victoria merkte, wie Jaromir innerlich aufatmete. Gleichzeitig aber nahm sie einen Hauch Enttäuschung darüber wahr, dass sein Freund nur so kurz bleiben würde.
Die beiden verließen das Turmzimmer und Lenir bemerkte: „Wo steckt Albert eigentlich? Ich hatte so gehofft, dass er mir noch etwas brutzelt.“
Jaromir legte ihm mitleidig die Hand auf die Schulter. „Das würde der Gute sicherlich auch mit Begeisterung tun, aber er trifft heute Abend einen guten Freund. Er wird untröstlich sein, wenn er morgen davon erfährt, dass du gern seine Dienste in Anspruch genommen hättest.“
Lenir hielt kurz inne und sagte dann langsam: „Aber hier ist trotzdem ein Mensch im Haus… eine Frau?“
Augenblicklich bekam Victoria Panik!
Wenn er ihre Gedanken lesen wollte und feststellte, dass er nichts außer zugezogenen Gedankenfenstern sehen konnte, würde er sofort misstrauisch werden.
Da fühlte sie auch schon, wie sich ihr der fremde Geist näherte.
Ohne zu überlegen öffnete sie ihre Vorhänge ein wenig und dachte so laut sie konnte: „VERDAMMTE SCHEISSE! JETZT IST MIR AUCH NOCH DIE MILCH ANGEBRANNT. ALBERT WIRD MICH UMBRINGEN WENN ER DEN TOPF SIEHT. ICH BLÖDE KUH BEKOMME JA NOCH NICHT MAL EINEN EINFACHEN PUDDING HIN!!! DER LÄSST MICH NIE WIEDER IN SEINE KÜCHE REIN.“
Dabei stand sie auf, griff sich einen Topf und begann damit auf dem Herd zu hantieren. Sie hatte keine Ahnung, ob Lenir das falsche Spiel durchschauen würde, aber ihr fiel einfach nichts Besseres ein.
Sie fluchte noch weiter und aber nach wenigen Augenblicken merkte sie erleichtert, dass sich der fremde Geist wieder zurückzog. Glücklicherweise hatte er tatsächlich nur aus größerer Entfernung nach ihr geschaut, ansonsten wäre der Trick sofort aufgeflogen.
Jaromir war fast das Herz stehengeblieben, aber als er ihr Tun bemerkte, begann er leise zu lachen. „Ach, das ist nur Victoria. Sie macht ein Praktikum bei Albert. Du weißt doch, dass mein Butler von Zeit zu Zeit auf Reisen geht und sich die Küchen dieser Welt anschaut. Er glaubt, dass ich ohne ihn nicht zurechtkomme und hat vorgeschlagen, eine Aushilfe anzulernen.“
Sein Freund musste nun ebenfalls lachen. „Also eines steht fest: In der Küche kann sie Albert nicht gerade das Wasser reichen!“
Jaromir nickte. „Da hast du recht, aber im Gegensatz zu dir muss ich jemanden finden, der nicht sofort Reißaus nimmt, wenn ich mich auf fünf Meter nähere. Außerdem erträgt sie dieses Haus klaglos schon länger als vier Wochen und dass kann man nun wirklich nicht von vielen Menschen behaupten.“
Lenirs Grinsen wurde breiter. „Ich glaube, ich verzichte auf den Abendimbiss und freue mich lieber auf Alberts Frühstück.“
Die beiden Männer gingen in den Salon und unterhielten sich über die guten alten Zeiten. Jaromir hatte Lenir einen edlen Whiskey aus der Vitrine im Salon angeboten und sein Freund war begeistert. Der Hausherr selbst trank zwar lieber Wein, aber er wollte auf keinen Fall einen Vorwand dafür liefern, in die Küche gehen zu müssen – Lenir würde ganz sicher mitkommen.
Victoria hockte in der Küche und knabberte an den belegten Broten, die Albert für sie gemacht hatte. Sie waren köstlich, aber Victoria konnte das Essen nicht genießen. Sie hatte eine Heidenangst davor, dass Lenir noch einmal ihren Geist untersuchte und sie dann aufflog. Außerdem fragte sie sich, wo sie heute Nacht schlafen sollte. Sie wusste nicht
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