Nebelsphäre - haltlos (German Edition)
so recht wohin und wollte um diese Uhrzeit auf keinen Fall allein in diesem unheimlichen Haus herumlaufen. Sie wagte es nicht, Jaromir direkt anzusprechen, da sie fürchtete, dass sie das verraten könnte.
Die Drachen hatten sich viel zu erzählen. Victoria war noch in Jaromirs Geist, verstand aber kaum die Hälfte von dem, worüber die beiden sprachen. Es war auch die Rede von roten und goldenen Drachen.
„Ganz offensichtlich sind nicht alle Drachen schwarz. Ob das eine besondere Bedeutung hat? Da muss ich morgen gleich mal nachfragen.“
Sie sah jede Menge Bilder, konnte aber nichts so richtig einordnen – die beiden sprangen stark in ihren Gedanken und die Welt der Drachen war Victoria einfach viel zu fremd.
Obwohl Jaromir den charmanten Gastgeber mimte, spürte Victoria nach einer Weile deutlich, dass er sich nichts sehnlicher wünschte, als dass der nächste Tag anbrach und Lenir wieder aufbrechen musste.
Ihr ging es da nicht anders. Irgendwann nahm sie sich eines von Alberts Kochbüchern und blätterte darin. Sollte Lenir noch mal die Absicht haben, ihren Geist zu untersuchen, war es nicht verkehrt, wenn er sah, dass sie sich mit Rezepten beschäftigte.
Die Zeit verging. Jetzt war es schon zwölf Uhr und der Regen klatschte immer heftiger an die Scheiben der Küche. Victoria fragte sich, ob sie nicht doch besser nach Hause gehen sollte – wäre das nicht sicherer? Sie wäre zwar völlig durchnässt, wenn sie dort ankäme, aber das war ihr egal. Andererseits hatte Jaromir immer wieder betont, dass die räumliche Entfernung nur eine geringe Bedeutung bei der Ortung von Personen hatte. Jetzt wo Lenir ihr Muster kannte, konnte er sie ganz einfach in der näheren Umgebung finden. Und ihre Gedanken konnte er von hier aus auch lesen, wenn sie in ihrer Studentenbude war. Nein, es war wohl doch besser, einfach hier zu bleiben und sich unauffällig zu verhalten. So unauffällig, dass der zweite Drache ganz vergaß, dass es überhaupt eine Victoria gab.
Sie wurde müde und sah sich mit einem mulmigen Gefühl nach einer Schlafgelegenheit um. Sie öffnete die Türen, die von der Küche abgingen und fand neben einer großen und sehr gut gefüllten Vorrastkammer noch eine Art Geräteraum, in dem unzählige Küchengeräte aus den verschiedensten Epochen lagerten – von uralt bis ultramodern. Sie konnte kaum glauben, dass man mit all den Dingen Mahlzeiten zubereiten konnte, aber wenn Albert diese Schätze hier aufhob, dann würde es wohl so sein. Nach einer Schlafgelegenheit sah es hier jedenfalls nicht aus.
Sie wollte sich gerade auf den Weg machen und die Türen außerhalb der Küche erkunden, da spürte sie Jaromirs Anspannung. Sofort konzentrierte sie sich wieder auf die beiden.
Lenir sprach gerade: „Ach, komm schon Jaro! Nur ein kleines Wettfliegen und einen kurzen Schlagabtausch – das Wetter ist dafür wie geschaffen und wir sind in einer halben Stunde wieder hier.“
Jaromir lachte ironisch. „Hey, du willst mich doch nur wieder fertigmachen…“
Nun grinste der andere herausfordernd. „Hast du etwa Angst? Traut sich der kleine Jaro nicht raus in den dunklen Regen.“
Jaromir schaute Lenir an und meinte sarkastisch: „Dem Regen als auch der Dunkelheit traue ich sehr wohl. Aber dir? Dich kenne ich! Du holst wieder einen deiner fiesen Tricks raus und dann kann ich tagelang nicht richtig laufen.“
Lenir schlug seinem Freund gutmütig auf die Schulter. „Ach komm, nur ein kleiner Kampf. Oder wir gehen in die Küche und fressen Albert den Kühlschrank leer.“
Victoria blieb vor Schreck das Herz stehen.
Jaromir schloss die Augen und ließ die Schultern hängen. „Ok, du hast mich überredet. Albert bringt mich um, wenn wir seine Essensplanung für die nächsten Tage wegfuttern und dann kocht er wochenlang wieder nur Mensaessen.“
Lenir feixte: „Das kann Albert?! Kann ich mir gar nicht vorstellen!“
Jaromir sah seinen Kumpel finster an. „Doch, das kann er! Ich habe während eines von Alberts ersten Praktika die Küche – sagen wir mal – nicht ganz in den Zustand gebracht, in dem Albert den Raum zurückgelassen hatte. Um es kurz zu machen: Er war not amused! Es hat drei Wochen gedauert und eine neue Eismaschine gekostet, bis er mir verziehen hatte.“
Nun grinste Lenir verwegen. „Oh Prima, dann sind wir uns ja einig. Also, ein Wettfliegen bis zur Ostsee und einen kurzen Schlagabtausch über dem Meer… Sagen wir… zwanzig Treffer Vorsprung gewinnen.“
Jaromir stöhnte: „ZEHN
Weitere Kostenlose Bücher