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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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rief sie ein wenig lauter, trotz der Schmerzen in den Rippen.
    »Was ist?«, fragte er zurück und drehte den Kopf.
    Endlich konnte sie sein Gesicht deutlich sehen, das Gesicht des Bodenlegers und Einbrechers Henrik Jansson. Er sah aus wie ein ganz normaler Fünfundzwanzigjähriger, nur dass er sehr müde wirkte und kalkweiß im Gesicht war. Tilda atmete schwer.
    »Henrik, diese verdammte Axt hat mir die Nase gebrochen.«
    Er schwieg.
    »Haben Sie noch mehr als das auf dem Gewissen?«, fragte sie.
    Auch darauf erhielt sie keine Antwort.
    »An der Landzunge hier unten hat es im Herbst einen Todesfall gegeben«, begann sie. »Eine Frau ist ertrunken.«
    Sie hörte, wie Henrik auf seiner Pritsche herumrutschte.
    »Die Leute sagen, sie hätten ein Boot an dem besagten Todestag die Küste entlangfahren hören. War das Ihr Boot?«
    Da riss Henrik die Augen auf.
    »Das war nicht meins!«
    »Nicht Ihres? Das Boot eines anderen?«
    »Ich hab’s sogar gesehen«, sagte Henrik.
    »Haben Sie das wirklich?«
    »Ich war an dem Tag beim Bootssteg bei den Bootshäusern, als sie …«
    »Katrine Westin«, ergänzte Tilda.
    »Sie hat Besuch bekommen«, erzählte er weiter. »Von jemandem in einem großen weißen Boot.«
    »Kannten Sie das Boot?«
    »Nein, aber es war viel größer als meins, für Langstrecken gebaut … mehr so eine kleine Jacht. Das hat bei den Leuchttürmen festgemacht, dort hat jemand auf das Boot gewartet. Ich glaube, sie war das …«
    »Okay.«
    Tilda überkam eine unbeschreibliche Erschöpfung. Sie konnte nicht mehr sprechen.
    »Ich habe es gesehen!«, betonte Henrik.
    Ihre Blicke trafen sich.
    »Wir müssen … wir werden später darüber sprechen. Sie werden wohl einige Verhöre über sich ergehen lassen müssen.«
    Henrik stieß als Antwort nur einen langen Seufzer aus.
    Dann versanken sie beide erneut in Schweigen. Tilda wollte nur die Augen schließen und schlafen, damit sie den Schmerzen und ihren Gedanken an Martin entkam.
    »Haben Sie heute Nacht was gehört?«, fragte Henrik unvermittelt.
    »Wie bitte?«
    Eine Tür wurde zugeschlagen, dann heulte der Motor des Panzers auf, und das Fahrzeug setzte sich langsam in Bewegung.
    »Ein Knacken?«
    Tilda wusste nicht, wovon Henrik redete.
    »Ich habe nichts gehört«, übertönte sie das Rumpeln.
    »Ich auch nicht«, bestätigte Henrik. »Kein Knacken. Ich glaube, die Lampe war schuld … oder das Brett. Aber jetzt ist es wieder still.«
    Er war mit einem Messer niedergestochen worden und auf dem Weg ins Gefängnis, und trotzdem hatte Tilda den Eindruck, dass er geradezu erleichtert klang.

42
    A m Heiligabend war der Hof Åludden noch immer in Dunkelheit getaucht. Es gab keinen Strom, und vor den Fenstern türmten sich riesige Schneewälle auf.
    Nachts waren drei Polizisten und ein Spürhund mit einem Panzer eingetroffen und hatten alle Gebäude durchsucht, ohne jedoch Martin Ahlquists Mörder zu finden. Joakim kümmerte sich nicht weiter um sie. Etwa gegen drei Uhr morgens, nachdem sie mit Tilda Davidsson und dem verletzten Einbrecher ins Krankenhaus aufgebrochen waren, hatte er sich hingelegt und tatsächlich für einige Stunden geschlafen.
    Zum ersten Mal seit mehreren Wochen hatte er einen ruhigen Schlaf gehabt. Als er allerdings fünf Stunden später in dem stillen Haus wieder aufwachte, konnte er nicht mehr weiterschlafen. Es war stockdunkel in den Zimmern. Joakim stand auf und zündete ein paar Petroleumlampen an. Aber bereits eine Stunde später drang ein viel intensiveres Licht durch die schneebedeckten Fenster.
    Über dem Meer ging die Sonne auf. Joakim wollte sie sehen, war aber gezwungen, in den ersten Stock zu gehen und das Fenster und die Fensterläden zu öffnen, um auf das Meer schauen zu können.
    Die Küste hatte sich in eine traumhafte Winterlandschaft verwandelt, mit einem tiefblauen Himmel, der über glitzernden Schneedünen hing. Die roten Wände der Scheune sahen fast schwarz aus gegen das strahlende Weiß des Schnees.
    Eine arktische Stille herrschte auf Åludden. Es war vollkommen windstill – vielleicht das erste Mal, seitdem Joakim nach Öland gezogen war.
    Der Nebelsturm hatte sich ausgetobt. Bevor er weitergezogen war, hatte er unten am Strand eine meterhohe Mauer aus Eisschollen aufgetürmt.
    Joakim hatte Geschichten gelesen von alten Leuchttürmen, die vom Sturm umgerissen wurden und ins Meer gestürzt waren, aber diese beiden Leuchttürme hatten dem Nebelsturm getrotzt. Die Türme thronten über der Eismauer.
    Um

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