Nebelsturm
neun Uhr schürte Joakim das Feuer in den kalten Kachelöfen und verjagte damit die Kälte aus dem Haus. Danach ging er die Kinder wecken.
»Frohe Weihnachten«, sagte er.
Livia hatte in voller Montur auf Gabriels Bett geschlafen. So hatte er sie gefunden, als er am Abend zuvor aus der Scheune gekommen war. Er hatte sie nur mit einer Decke zugedeckt und weiterschlafen lassen.
Jetzt war Joakim bereit, ihre Fragen zu beantworten, was in der Nacht passiert sei, über den Lärm von der Schießerei im Hof und alles andere. Aber Livia streckte und reckte sich nur genüsslich auf dem Bett.
»Habt ihr gut geschlafen?«
Sie nickte.
»Mama war hier.«
»Hier?«
»Sie ist zu uns reingekommen, als du weg warst.«
Joakim sah erst seine Tochter und dann seinen Sohn ernst an. Gabriel nickte langsam, als ob alles, was seine Schwester sagte, der Wahrheit entsprach.
Nicht schwindeln, Livia, wollte Joakim sie ermahnen. Mama kann nicht hier gewesen sein. Stattdessen fragte er:
»Was hat denn die Mama gesagt?«
»Sie hat gesagt, dass du bestimmt bald kommst«, sagte Livia und schaute ihn an. »Aber das bist du nicht.«
Joakim setzte sich auf die Bettkante.
»Jetzt bin ich hier«, sagte er. »Ich werde nicht mehr weggehen.«
Livia betrachtete ihn misstrauisch und stieg dann, ohne ein Wort zu sagen, aus dem Bett.
Joakim weckte Freddy, der ohne seinen Bruder ein ruhiger und stiller junger Mann war. Da für ihn im Panzer kein Platz gewesen war, hatte er die Nacht mit Handschellen an einem Heizkörper gefesselt verbringen müssen.
»Dein Bruder ist immer noch nicht aufgetaucht«, sagte Joakim.
Freddy nickte müde.
»Was habt ihr eigentlich gesucht?«
»Alles Mögliche … teure Gemälde.«
»Von Torun Rambe?«, fragte Joakim. »Wir haben nur ein einziges hier. Dachtet ihr, in der Scheune sind noch mehr davon?«
»Im Haus haben wir nur das eine gefunden«, sagte Freddy. »Irgendwo anders sollte es noch mehr geben, hat das Brett gesagt. Darum sind wir in die Scheune und haben die Treppe angezündet.«
Joakim schaute ihn fragend an.
»Und warum?«
»Weiß nicht.«
»Würden Sie so etwas noch mal machen?«
Freddy schüttelte den Kopf.
Joakim hatte von Tilda den Schlüssel für die Handschellen bekommen und entschied sich, weil Heiligabend war, an das Gute im Menschen zu glauben. Er befreite Freddy vom Heizkörper.
Als sie gegen elf Uhr wieder Strom hatten, setzte sich der Einbrecher vor den Fernseher und wartete, dass die Polizei ihn holen würde. Mit traurigem Blick verfolgte er Zeichentrickfilme mit dem Weihnachtsmann, die Liveübertragung eines Tanzes um den Weihnachtsbaum und eine Kochsendung aus einer schneebedeckten Berghütte.
Livia und Gabriel setzten sich neben ihn, ohne dass sie einWort miteinander wechselten. Es war eine Art Weihnachtsgemeinschaft, und alle schienen es zu genießen.
Joakim ging mit dem Notizbuch, das er neben Ethels Jacke gefunden hatte, in die Küche und las Mirja Rambes dramatischen Bericht über das Leben auf Hof Åludden fertig.
Am Ende folgten zuerst einige leere Seiten und danach ein paar, die von einer anderen Person beschrieben worden waren.
Joakim betrachtete sie eingehend und erkannte Katrines Handschrift. Ihre Notizen waren hastig aufgeschrieben, als ob sie wenig Zeit gehabt hätte. Er las die Seiten mehrmals, ohne so recht zu begreifen, was er da las.
Gegen zwölf Uhr bereitete Joakim den Weihnachtsmilchreis für alle Bewohner und Besucher des Hofes zu. Das Telefon funktionierte auch wieder, und der erste Anruf kam prompt nach dem Essen. Joakim hob den Hörer ab und hörte die leise Stimme von Gerlof Davidsson.
»Jetzt haben Sie einen echten Nebelsturm erlebt.«
»Ja, das kann man wohl sagen«, antwortete Joakim.
Er schaute aus dem Fenster und dachte an die nächtlichen Besucher von Åludden.
»Man hat ihn kommen sehen«, sagte Gerlof. »Ich jedenfalls. Allerdings habe ich gedacht, dass er etwas später kommen würde … wie ist es Ihnen ergangen?«
»Ganz gut. Alle Häuser haben standgehalten, nur die Dächer haben etwas abbekommen.«
»Und die Straße?«
»Sie ist verschwunden«, berichtete Joakim. »Dort liegt nur Schnee.«
»Früher brauchte man mindestens eine Woche, um bestimmte Höfe nach dem Nebelsturm wieder erreichen zu können«, erzählte Gerlof. »Heutzutage geht es schneller.«
»Wir schaffen das«, sagte Joakim. »Ich habe Ihren Rat befolgt und Konserven eingekauft.«
»Sehr gut. Sind Sie und die Kinder allein?«
»Nein, wir haben noch einen
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