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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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hast.«
    »Schön. Aber jetzt nehmen wir noch ein bisschen was auf.«
    Gerlof schwieg.
    »Ich stelle das Gerät jetzt an, okay?«, fragte Tilda.
    »Vielleicht vom Meer?«, schlug Gerlof vor.
    »Wie bitte?«
    »Wenn jemand mit einem Boot die Küste hochgefahren ist und an der Mole von Åludden festgemacht hat«, sagte Gerlof, »dann gäbe es auch keine Spuren im Sand.«
    Tilda seufzte.
    »Dann muss ich nach einem Boot Ausschau halten, oder wie?« Tilda sah ihm fest in die Augen. »Gerlof, ist dir das lästig mit den Aufnahmen?«
    Gerlof zögerte mit der Antwort.
    »Mir fällt es schwer, über verstorbene Familienangehörige zu reden«, gestand er dann. »Es fühlt sich an, als würden sie hinter der Wand sitzen und zuhören.«
    »Ich glaube, sie würden sehr stolz sein.«
    »Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Das kommt ein bisschen darauf an, was man über sie erzählt.«
    »Ich möchte ja hauptsächlich Geschichten über Großvater hören«, beruhigte ihn Tilda.
    »Ich weiß.« Gerlof nickte ernst. »Aber er hört möglicherweise auch zu.«
    »War Ragnar anstrengend als großer Bruder?«
    Gerlof schwieg eine ganze Weile.
    »Er hatte seine Macken. Und er war nachtragend. Wenn er sich einmal hintergangen fühlte, machte er nie wieder Geschäfte mit der Person … Unrecht vergaß er niemals.«
    »Ich habe ihn nie kennengelernt, und Papa scheint auch kaum Erinnerungen an ihn gehabt zu haben. Zumindest hat er nie von ihm gesprochen.«
    Wieder wurde es still.
    »Ragnar ist in einem Wintersturm erfroren«, erzählte Gerlof. »Sein Körper lag am Strand nicht weit von seinem Sommerhaus. Hat dir dein Papa nie davon erzählt?«
    »Doch, er hat Großvater ja auch gefunden. Er wollte raus zum Fischen, oder wie war das? Das hat zumindest Papa gesagt.«
    »Er hatte den ganzen Tag die Bodenreusen gesäubert, und als der Wind auffrischte, ging er bei Åludden an Land. Er war Aufseher für die Türme, und er ist auch draußen bei den Leuchttürmen gesehen worden. Das Boot muss in den Wellen zerschellt sein, denn er ist zu Fuß nach Hause gegangen, am Strand entlang … und dann kam der Nebelsturm. Ragnar ist darin umgekommen.«
    »Man ist erst richtig tot, wenn man warm und tot ist«, dozierte Tilda. »Man hat Menschen aus Schneewehen geborgen, die waren tiefgefroren und hatten keinen Puls, als sie jedoch ins Warme gebracht wurden, sind sie wieder zum Leben erwacht.«
    »Wer sagt denn so etwas?«
    »Martin hat mir das mal erzählt.«
    »Martin? Wer ist das denn?«
    »Mein … Freund«, stotterte Tilda.
    Sie bereute das Wort sofort. Martin hätte es nicht gut gefunden, als ihr Freund deklariert zu werden.
    »Dann hast du also einen Freund?«
    »Ja, oder wie man das nennen soll.«
    »Freund hört sich doch gut an. Wie heißt er denn weiter, der Martin?«
    »Er heißt Martin Ahlquist.«
    »Schön, wohnt er auch hier auf der Insel, dein Martin?«
    Mein Martin , wiederholte Tilda.
    »Er wohnt in Växjö. Er ist Lehrer.«
    »Aber er wird dich doch bestimmt mal besuchen kommen?«
    »Das hoffe ich sehr. Zumindest hat er es angedeutet.«
    »Wie schön.« Gerlof lächelte. »Du siehst richtig verliebt aus.«
    »Tue ich das?«
    »Du strahlst richtig, wenn du von Martin sprichst, das steht dir gut.«
    Er lächelte ihr aufmunternd zu, und sie erwiderte das Lächeln.
    Es fühlte sich alles so einfach an, wenn sie bei Gerlof saß und über Martin sprach. Überhaupt nicht kompliziert.

8
    J eden Abend schlief Livia mit Katrines rotem Wollpullover neben sich ein. Und Joakim hatte ihr Nachthemd unter seinem Kissen liegen. Das beruhigte ihn.
    Das Leben auf Åludden ging weiter – mit halber Geschwindigkeit. Die Kinder mussten jeden Morgen nach Marnäs gebracht und dort wieder abgeholt werden, und Joakim erledigte diese Aufgabe gewissenhaft. Dazwischen war er sieben Stunden lang allein auf dem Hof, fand aber keine Ruhe. Das Bestattungsinstitut rief ihn unentwegt hat und hatte immer neue Fragen zur Beerdigung. Außerdem war er gezwungen, die Banken und Firmen zu kontaktieren, um Katrine aus den Registern streichen zu lassen. Und dann meldeten sich Familienangehörige, ihre und seine, gemeinsame Freunde aus Stockholm schickten Blumensträuße, viele von ihnen wollten zur Beerdigung kommen.
    Am liebsten hätte Joakim alle Telefonkabel herausgerissen und sich auf Åludden eingeschlossen. Alles verriegelt.
    Selbstverständlich gab es Unmengen zu tun, Renovierungsarbeiten im Haus, im Garten und an der Fassade – aber er wollte eigentlich nur im

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