Nebelsturm
verkauft worden war.
Henrik und die Brüder Serelius hatten ihren Lieferwagen in dem kleinen Wäldchen an der Landstraße abgestellt. Sie hatten alles im Wagen gelassen und nur zwei Rucksäcke mit Werkzeug und viel Platz für ihre Beute mitgenommen. Bevor sie sich auf den Weg durch den Wald, vorbei an der Steinmauer der Kirche und dem Friedhof machten, hatten sie sich jeder eine ordentliche Dosis Kristalle in den Mund geschoben und mit Bier nachgespült.
Henrik hatte besonders viel Bier getrunken, seine Nerven waren zum Reißen gespannt. Schuld daran war dieses Teufelsbrett der Brüder – das Ouija-Brett.
Gegen elf Uhr hatten sie eine schnelle Sitzung in Henriks Küche abgehalten. Er hatte das Licht ausgemacht, Freddy die Kerzen angezündet.
Tommy hatte den Finger auf das Glas gelegt.
»Ist jemand unter uns?«
Das Glas fing sofort an, sich zu bewegen. Es wanderte zum Wort JA . Tommy beugte sich vor.
»Aleister, bist du es?«
Das Glas wanderte zum Buchstaben A , dann zum L …
»Er ist da«, bestätigte Tommy leise.
Aber das Glas wanderte weiter zum G , dann zum O und schließlich zum T . Dann erst blieb es stehen.
»Algot?«, wiederholte Tommy. »Wer zum Teufel ist das denn?«
Henrik erstarrte. Das Glas hatte seine Arbeit wieder aufgenommen, er griff nach Stift und Papier und notierte die Buchstabenfolgen.
ALGOT ALGOT NICHT GUT ALLEIN HENRIK NICHT GUT LEBEN NICHT GUT NICHT HENRIK NICHT
Henrik hörte auf zu schreiben.
»Da mache ich nicht mehr mit«, sagte er aufgebracht und schob das Papier von sich.
Er atmete schwer, stand auf und schaltete die Deckenlampe ein.
Tommy nahm den Finger vom Glas und sah ihn an.
»Okay, komm, mach dich locker«, sagte er. »Das Brett ist doch nur eine Hilfe … also, wir müssen los.«
Als sie beim Pfarrhaus ankamen, war es bereits halb elf. Der Himmel war bedeckt und im Haus alles dunkel.
Henrik grübelte unablässig über die Botschaft des Brettes nach. Algot? Sein Großvater?
»Sind die zu Hause?«, flüsterte Tommy im Schatten zweier Birken im hinteren Teil des Gartens. Er hatte sich wie Freddy und Henrik die Strumpfmaske über das Gesicht gezogen.
Henrik schüttelte sich. Er musste sich zusammenreißen, sich auf den Job konzentrieren.
»Die sind ganz bestimmt zu Hause«, erwiderte er. »Aber sie schlafen im ersten Stock. Da oben, wo die Fenster gekippt sind.«
Er zeigte auf eines der Eckzimmer.
»Prima, dann lass uns loslegen«, sagte Tommy. »Hubba Bubba.«
Er ging voran, folgte dem gepflasterten Steinweg und derTreppe bis zur Eingangstür. Dort beugte er sich vor und betrachtete nachdenklich das Schloss.
»Sieht verdammt solide aus«, flüsterte er Henrik zu. »Sollen wir stattdessen nicht lieber ein Fenster einschlagen?«
Henrik schüttelte energisch den Kopf.
»Wir sind hier auf dem Land«, flüsterte er zurück. »Und in dem Haus leben Rentner … Wenn Sie mal schauen mögen!«
Er streckte eine Hand aus, drückte lautlos die Klinke herunter und schob die Eingangstür auf. Sie war nicht abgeschlossen.
Tommy sagte nichts, nickte nur und ging als Erster ins Haus, Henrik folgte ihm. Als er sich nach Freddy umdrehen wollte, stand der ihm direkt auf den Fersen.
Das war nicht gut – drei Männer im Haus, das war einer zu viel. Er signalisierte ihm, draußen zu warten und Wache zu halten, aber Freddy schüttelte nur den Kopf und schlüpfte an ihm vorbei ins Haus.
Tommy öffnete die nächste Tür und verschwand im Wohntrakt des Hauses.
Sie standen in einer großen dunklen Halle. Es war sehr warm – Rentner sind doch alle Frostbeulen, dachte Henrik, die drehen immer voll auf.
Auf dem Boden lag ein dicker, dunkelroter Perser, der ihre Schritte dämpfte, und an einer der Wände hing ein riesiger Spiegel mit Goldrand.
Abrupt blieb Henrik stehen. Auf dem Marmortisch unter dem Spiegel lag ein dickes Portemonnaie aus schwarzem Leder. Schnell streckte er die Hand aus und steckte es sich in die Jackentasche.
Als er aufblickte, sah er seinem Spiegelbild ins Gesicht; eine geduckte Gestalt in dunkler Kleidung, mit einer schwarzen Strumpfmaske auf dem Kopf und einem großen Rucksack über der Schulter.
Dieb , dachte er. Er konnte seinen Großvater Algot förmlich in seinem Hinterkopf hören. Schuld war diese Strumpfmaske – damit würde jeder gefährlich aussehen.
Von der Eingangshalle gingen drei Türen ab, zwei davon standen einen Spalt breit offen. Tommy war vor der mittleren stehen geblieben. Er horchte, schüttelte den Kopf und öffnete
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