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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Kopfschmerz weiter. Sein Ziel war ein Schatten, der immer größer wurde. Eine kleine Höhle tauchte vor ihm auf. Er kletterte hinein und rollte sich zusammen. Er fühlte sich wie ein gejagtes Tier, aber dort würde er sicher sein.
    Es dauerte eine Weile, bis Henrik wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Er hob den Kopf und sah sich um.
    Stille. Totale Finsternis. Wo zum Teufel war er?
    Unter seinen Fingern spürte er Erdboden, und bald hatte er begriffen, dass er in eine Art Steinkeller in der Nähe des Pfarrhauses geklettert sein musste. Es war kalt und feucht und roch moderig, nach Schimmel.
    Plötzlich wurde ihm klar, dass er in einem alten Leichenkeller lag. Einer Erdhöhle für die Toten, in der sie auf ihr Begräbnis warteten.
    Ein Insekt mit langen Beinen lief ihm übers Gesicht. Eine hellwache Spinne. Schnell schlug er sie mit der Hand weg.
    Henrik fühlte sich auf einmal eingesperrt und kletterte vorsichtig aus seinem Versteck heraus. Der Rucksack hatte sich irgendwo verhakt, aber er befreite ihn und kniete auf dem gefrorenen Waldboden.
    Frische Winterluft.
    Er stand auf und ging langsam durch das Unterholz, fort vom Licht, das in den Fenstern des Pfarrhauses leuchtete. Als die Friedhofsmauer vor ihm auftauchte, wusste er, dass er sich nicht verlaufen hatte.
    Da hörte er, wie eine Wagentür zugeworfen wurde. Er horchte in die Dunkelheit. Irgendwo startete ein Motor.
    Henrik begann zu laufen, erreichte einen Weg und rannte los. Der Wald lichtete sich, und er erkannte den Lieferwagen der Brüder Serelius. Der war im Begriff, sein Versteck zu verlassen.
    Im letzten Augenblick riss er die Beifahrertür auf.
    Freddy und Tommy zuckten zusammen.
    »Fahr los!«
    Henrik sprang auf den Sitz und schlug die Tür hinter sich zu. Als der Wagen losrollte, atmete er erleichtert auf und lehnte seinen pochenden Kopf gegen die Rückenlehne.
    »Wo zum Henker warst du?«, fragte Tommy.
    Er keuchte ebenfalls und hielt das Lenkrad fest umklammert. Er hatte die wütende Anspannung noch nicht abschütteln können.
    »Ich habe mich verlaufen«, erklärte Henrik und zog sich den Rucksack von den Schultern. »Bin über eine Baumwurzel gestolpert.«
    Freddy kicherte.
    »Und ich bin aus einem Fenster gesprungen!«, sagte er. »Direkt in die Büsche.«
    »Wir haben ’ne super Beute gemacht!«, fasste Tommy zusammen.
    Henrik nickte mit zusammengebissenen Zähnen. Der arme Rentner, den Tommy niedergeschlagen hatte, was wohl mit ihm war? Er wollte jetzt nicht darüber nachdenken.
    »Fahr nach Osten«, sagte er. »Zu meinem Bootshaus.«
    »Warum das denn?«
    »Die Polizei wird bald da sein. Wenn es Personenschaden gab, kommen sie aus Kalmar angerückt … wir sollten ihnen nicht direkt in die Arme laufen.«
    Tommy seufzte, bog aber, ohne zu murren, auf die östliche Küstenstraße.
    Es dauerte etwa eine halbe Stunde, die Beute zu entladen und im Bootshaus zu verstauen, aber das Gefühl von erhöhter Sicherheit war es das wert. Als sie wieder in den Lieferwagen stiegen, hatte Henrik nur noch das Bargeld und die alte Glaslampe in seinem Rucksack.
    Sie fuhren einen kleinen Umweg nach Borgholm, begegneten aber keiner Polizei. Am Ortseingang überfuhr Tommy eine Katze oder Hasen, dieses Mal allerdings schien er zu müde zu sein, um sich darüber freuen zu können.
    »Wir machen mal eine Pause«, beschloss Tommy, während sie an den Straßenlaternen der Stadt vorbeifuhren. »Kleine Auszeit!«
    Er hielt vor Henriks Häuserblock, die Uhr zeigte Viertel nach drei.
    »Okay«, erwiderte Henrik und öffnete die Tür. »Wir müssen den Wert von dem Kram checken, … damit gerecht geteilt wird.«
    Er hatte nicht vor zu vergessen, dass seine Komplizen ihn um ein Haar im Wald zurückgelassen hätten.
    »Wir lassen von uns hören!«, sagte Tommy bei heruntergelassener Scheibe.
    Nickend ging er auf die Eingangstür zu.
    Erst als er in seiner Wohnung stand, sah er, wie dreckig er war.Jeans und Jacke waren mit Erde beschmiert. Er warf sie in den Wäschekorb, trank ein Glas Milch und starrte aus dem Fenster.
    Die Erlebnisse der Nacht waren noch sehr verschwommen, und er wollte sie auch nicht heraufbeschwören. Was er aber leider sehr deutlich erinnerte, war das Splittern der Hand unter seinem Stiefel. Das hatte er nicht gewollt, aber …
    Er schaltete das Licht aus und legte sich ins Bett.
    Es fiel ihm schwer einzuschlafen, seine Stirn tat weh, und die Nerven seines Körpers waren noch zum Zerreißen gespannt. Aber irgendwann nach vier Uhr sank er

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