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Nebeltod auf Norderney

Nebeltod auf Norderney

Titel: Nebeltod auf Norderney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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abends abstellte und Heide einen Besuch abstattete, einen Tee mit ihr trank und später dann nach Wilhelmshaven weiterfuhr.
    Zwischen ihr und dem Fernfahrer kam es aus einer anfänglichen Zuneigung zu einer ernst zu nehmenden Liebe. Dodo Wilbert hatte mittlerweile von der Inselgärtnerei die Außenanlage seines Hauses auf Baltrum anlegen lassen und sein Apartment selbst fertig gestellt. Bei dem Kauf der Inneneinrichtungen auf dem Festland hatte er sich auf Heides Geschmack verlassen.
    Sie hatten Okka und Johann Heynen nicht um Rat gefragt und ließen sich auch nicht dreinreden. Sie verschwiegen ihnen auch, dasssie beschlossen hatten, nach dem bevorstehenden Examen zusammenzuziehen.
    Dodo Wilbert trat sein neu errichtetes Haus bis auf sein eigen genutztes Apartment an eine Insel-Ferienwohnungsvermittlung in Esens ab, die gegen eine 15-prozentige Beteiligung an den Einnahmen das Vermietungsgeschäft übernahm.
    Die Überraschung war vollkommen, als die frischgebackene Grundschullehrerin Heide Heynen am Arm ihres Freundes ihre Eltern im schick eingerichteten Apartment des Hauses 456 mit Seeblick am Rande der Kuckucksdüne empfing.
    Dodo Wilbert hatte seinen Jahresurlaub genommen, den sie bei gutem Frühsommerwetter auf der Insel verlebten. Es waren unvergessliche Tage, die Heide als Lohn für die bestandene Prüfung hinnahm.
     
    Georg Calvis war gelernter Dachdecker. Anlass, diesen Beruf zu erlernen, war eigentlich seine Schwindelfreiheit gewesen. Er kam in Wilhelmshaven während eines schweren Bombenangriffs auf die Marinewerft zur Welt.
    Seine Mutter, Anna Calvis, hatte ihn zu Hause auf der Bismarckstraße im Keller des viergeschossigen Wohnhauses mit der Stuckverzierung zur Welt gebracht. Sie, die rüstige Hebamme und ihre Schwester Mathilde hatten den Weg zum Bunker nicht mehr geschafft und waren allein in dem Raum mit dem Holzverschlag gewesen, als die feindlichen Bomberverbände in dieser Nacht zum dritten Mal über der Jadestadt ihre Tod bringende Last abwarfen. Die übrigen Hausbewohner hatten in Anbetracht der ernsten Vorwarnungen im Rundfunk den Bunker auf der Gökerstraße aufgesucht.
    In dieser Nacht, in der der kleine Georg das Licht der unerbittlichen und brutalen Welt erblickte, in der zwischen Gerümpel, Einkochgläsern und Briketts Anna Calvis vor Freude, Kummer, Leid und Angst weinte und die Hebamme den Knaben in die Arme der Mutter legte, starben über tausend Menschen in den Trümmern der brennenden Stadt.
    Zu dieser Zeit geriet der Vater des Knaben, ausgebildeter Schiffsbauer und ehemaliger Werftarbeiter, als Meldefahrer mit seinem DKW-Motorrad 24 Kilometer vor Zagreb in einen Hinterhalt und wurde von Partisanen erschossen.
    Das war beileibe nicht die erste und letzte Nacht, in der Anna Calvis um ihr Leben und das ihres Sohnes bangen musste. Doch der kleine Georg hatte nicht nur eine tapfere, liebe und aufopferungsbereite Mutter, sondern auch einen guten Schutzengel.
    Frau Anna Calvis überlebte den Krieg und zog ihren Sohn alleine auf. Für die Kriegerwitwe gab es harte Jahre zu meistern. Die Nachkriegszeit war von Hunger und Not geprägt.
    Anna Calvis hatte Näherin gelernt, und mit unermüdlichem Einsatz hinter der Nähmaschine schuf sie für andere aus Stofffetzen und Resten tragbare Kleidung, um selbst mit ihrem Jungen zu überleben.
    Später kam es ihr selbst unglaubwürdig vor, dass sie mit ihrem Georg gesund und ohne Schaden die Jahre überstanden hatte.
    Auch Georg hatte früh gelernt zu kämpfen. Er hatte seine Mama begleitet, wenn sie auf das Land fuhr und bei den Tauschgeschäften mit den Bauern ihre Wertgegenstände gegen Lebensmittel weggab.
    Später, als sich das Leben normalisierte, zeigte sich Georg erneut von seiner besten Seite. Er war gewandt wie eine Katze. Er verstand es, auf das Dach des Hauses zu klettern, dort die Ziegel zu reparieren, wenn es mal wieder hereinregnete. Die meisten Männer waren im Krieg geblieben. Für die Alten waren solche Klettertouren zu riskant. So gelang es Georg und seinen Kameraden, sich nützlich zu machen. Sie turnten in schwindelnder Höhe auf den Ruinen herum und wurden zu tüchtigen und verlässlichen Helfern der Trümmerfrauen, die sich Bergen von Schutt und Asche gegenübersahen.
    Wiederaufbau, so hieß das Zauberwort der damaligen Zeit. Für Georg Calvis und seine Generation folgte daraus, dass sie schon früh mit anfassen mussten. Ihre Gesichter wirkten früh alt und abgehärmt. Für sie hieß es, die Spieljahre zu überspringen. Ihr

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