Nebeltod auf Norderney
erschwinglich waren. Dagegen nutzten sie jede Gelegenheit, wenn es um die geistige Förderung und körperliche Ertüchtigung ihres Kindes ging.
Jesko enttäuschte seine Eltern in keiner Weise. Er ließ sich nicht, wie man sagte, das Gelbe vom Ei nehmen. Andererseits spielte er nie seine Kräfte aus, sondern lernte es früh, »ritterlich« zu sein, und stand schwächeren Kindern bei, wenn sie bedroht wurden. Darauf war besonders die Mama stolz, denn als Lehrerin stellte sie fest, dass der Umgang der Schüler untereinander an Härte zunahm.
Georg Calvis hatte die Vorstellung, dass der Fußballsport eine gute Schulung des Umganges miteinander darstellte, und Jesko war einverstanden, als sein Vater ihn beim Fußballclub TSV Olympia anmeldete. Er zeigte Geschick und durchlief als Stürmer die Jugendmannschaften. Später spielte er auch in der 1. Mannschaft, die es bis zum Aufstieg in die Zweite Liga schaffte.
Jesko Calvis bereitete seinen Eltern auch keine schulischen Probleme. Er bestand das Abitur, erzielte gute Noten und bot seinen Eltern allen Grund, stolz auf ihn zu sein. Dazu sah er blendend aus. Er war gut gewachsen, hatte volles, welliges Haar und eine athletische Figur.
Mutter Gudrun hatte dennoch an ihrem Sohn etwas auszusetzen. Es war seine Verschwiegenheit, wenn es um das weibliche Geschlecht ging. Den Umgang mit Mädchen begann er kurz vor dem Abitur. Es war Gudrun Calvis, die lange, blonde Haare in ihrem Golf vorgefunden hatte.
Auch Georg Calvis war auf Beweise dafür gestoßen, dass Jesko zumindest weibliche Gäste in seinem Mercedes befördert hatte, denner fand auf dem Boden des Wagens einen Lippenstift, der nicht von seiner Frau stammte. Ihn stimmte im Gegensatz zu seiner Frau die Tatsache mehr als nur amüsant, da auf diese Weise nicht zu befürchten war, dass Jesko falsch gepolt war.
Nach Beendigung des Wehrdienstes entschied sich Jesko auf Anraten des Vaters für das Studium der Betriebswirtschafts- und Volkswirtschaftslehre. Die Mutter hätte es lieber gesehen, wenn sich ihr Sohn so wie sie für das höhere Lehramt entschieden hätte.
Es war eine kluge Entscheidung, denn bei der Vermögenslage waren Grundkenntnisse der Verwaltung und der Finanzwirtschaft schon angebracht, wollte Jesko die Geschäfte des Vaters später weiterführen.
Er studierte an der Universität Köln, weil sie in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften eine führende Rolle einnahm. Jesko nahm das Studium sehr ernst. Dabei gehörte er zu den Studenten, die sich sportlich betätigten und auch sonst noch private Ambitionen pflegten. Er schreckte nicht davor zurück, mit seinen Kommilitonen in den gemütlichen Kneipen der Altstadt von Köln beim Kölsch zu feiern, wozu es immer genügend Gründe gab.
Nur wenige Tage nach der Diplomprüfung seines Sohnes ereilte Georg Calvis in Jever auf der befahrenen Bundesstraße kurz vor der Ampel am Friedhof nachmittags um 16 Uhr 30 in seinem Mercedes hinter dem Steuer ein Schlaganfall. Der führerlose Wagen brach aus und kam in der Grünanlage seitlich des Supermarkts zum Stehen. Der herbeigerufene Rettungsdienst leistete dem Verunglückten erste Hilfe und schaffte ihn zum Krankenhaus.
Seine Frau Gudrun wurde benachrichtigt. Sie fuhr Hals über Kopf mit ihrem Golf in Wilhelmshaven los und kam zu spät. Als sie das Krankenhaus in Jever erreichte, lebte ihr Mann nicht mehr.
Auch Jesko ließ in Köln alles stehen und liegen und fuhr nach Hause, um seiner Mutter beizustehen.
Georg Calvis hatte sich testamentarisch dahin gehend festgelegt, nur im Kreise seiner engsten Familie beigesetzt zu werden. Jesko besuchte den Pfarrer, ging zum Friedhofsamt und zum Bestatter, da sich die Mutter außer Kraft fühlte, die unangenehmen Terminewahrzunehmen. Georg Calvis wurde im Grab seiner Mutter beigesetzt.
Jesko Calvis hatte ein gutes Examen gemacht. Dennoch zog er seine Bewerbungen zurück, weil er sich verpflichtet sah, das Werk seines Vaters fortzusetzen. Er löste in Köln seinen Hausstand auf und erwarb in Wilhelmshaven im Helgolandhaus am Südstrand eine Eigentumswohnung mit Meerblick.
Seine Mutter litt sehr unter dem Tode des Vaters. Sie überließ Jesko die Weiterführung der Geschäfte und die Verwaltung des Vermögens, während sie Ablenkung in ihrer Schule suchte.
Jesko Calvis war ein umgänglicher Mensch. Er fand schnell das Vertrauen seiner Angestellten und Handwerker. Er startete die Zusammenarbeit sowohl in Jever als auch in Wilhelmshaven mit einer freiwilligen Lohnerhöhung, die
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