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Neben Der Spur

Neben Der Spur

Titel: Neben Der Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
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sich zumindest aufrichten. Aber Aufrichten geht nicht. Er ist zu schwach.
    Dass er immer so schwach ist! Abends kann er immerhin den Kopf heben. Und denken. Dann kommen die Frauen, sagen nichts, hören nicht zu, blicken streng, flößen ihm irgendwas ein, zwei Pillen und ein paar Schluck süßen Tee, fassen mit ihren dicken Fingern in seinen Mund, wohl um zu prüfen, ob er alles geschluckt hat. Und dann wird es Valentin angenehm warm, er wird müde …
    Die Pillen! Vielleicht sind das Tranquilizer? Harte Schlafmittel? Deshalb immer dieser Filmriss. Schon kurz nachdem die Frauen weg sind, dieser Filmriss, immer dieser Filmriss … Der hat mit den Pillen zu tun. Vielleicht. Bestimmt!
    Panik ergreift Valentin, reißt ihn aus den Kissen. Er schreit, schreit …
    Sofort sind sie bei ihm, drücken ihn zurück ins Bett, zücken ihre Pillen …
    Valentin lässt alles geschehen. Er ist schlau genug, um zu wissen, dass sie stärker sind. Aber auch, dass hier was falsch ist. Dass er nicht gesund wird, sondern immer kränker. Sehr schlau muss er jetzt sein. Schlauer als die Frauen. Er wird warten, bis sie weg sind. Dann wird er sich den Finger in den Hals stecken. Wie damals, im Schullandheim, als ihn seine Mitschüler in den Schwitzkasten nahmen, um ihm ein Stück Leberwurst einzutrichtern und Milch, schrecklich viel Milch. Es war leicht gewesen, alles auszukotzen. Tat weniger weh als der Schwitzkasten und das Runterwürgen. Sein Onkel Bär kam noch am selben Tag und hat ihn aus dem Schullandheim abgeholt. Hat Gudrun überredet, ihn die Schule wechseln zu lassen …
    Wenn Valentin in der Nacht wach genug ist, stark genug ist, dann wird er aufstehen, heimlich aus seinem Bett klettern und ein Telefon suchen. Es muss ein Telefon geben, irgendwo. Und er wird zu Hause anrufen. Seinen Onkel Bär anrufen. Und wenn es heute nicht klappt, dann morgen. Oder übermorgen. – Ich denke … also bin ich … und ich bin nicht verrückt, das nicht …
     
    So hätte es nicht laufen dürfen. Keineswegs hätte es so laufen dürfen! Hans-Bernward de Beer versucht, den Blickkontakt mit der Fingernägel zermalmenden Kollegin zu vermeiden. Sie soll nicht bemerken, wie maßlos er sich über das Missgeschick ärgert. Denn natürlich hätte die Nachricht auf dem Anrufbeantworter ihn und nur ihn erreichen dürfen. Doch da gab es diese Verkettung unglücklicher Umstände. Ist ihm doch am Wochenende eine Krone vom Zahn weggebrochen – rechts oben hinten. Ob die zähen Preisverhandlungen mit seinem Exschwager, dem Hacker, daran schuld waren oder die Florentinerkekse, die Hans-Bernward sich anschließend zum Trost über das schlechte Ergebnis genehmigte, ist nicht genau auszumachen. Jedenfalls führte die peinigende Lücke dazu, dass er sich am frühen Montagvormittag zum Zahnarzt begab, um dort bis ein Uhr Mittag ohne sein gewohntes zweites Frühstück und mit der Neuen Post als einziger Lektüre auszuharren, bis man ihm endlich half. Hans-Bernward ist nämlich Kassenpatient. Aus Überzeugung.
    In weiser Voraussicht seines verspäteten Erscheinens zur Arbeit hat er Frau Rosenkranz gegen zehn Uhr vom Handy aus angerufen und gebeten, ihn bei den Kollegen zu entschuldigen. Auch schon mal seinen Anrufbeantworter abzuhören, bitte, um nötigenfalls einen Gesprächspartner zurückzurufen, zu vertrösten, auszurichten, dass er am Nachmittag wieder erreichbar und zu Diensten sein werde und so weiter. Damit wollte er vor allem eine Beschäftigungsmaßnahme für die neugierige junge Kollegin schaffen, sie davon abhalten, in seinen Akten zu wühlen.
    Und nun das Malheur! Ein mehr als kryptischer Mitschnitt auf dem Anrufbeantworter, der neue Fragen um Valentins Verschwinden aufwirft. Jetzt, da die ersten öffentlichen Orchesterproben bevorstehen und Gudrun ihre volle Konzentration auf ihr Klavierspiel richten muss, sieht Hans-Bernward sich gezwungen das Problem alleine zu lösen. Und da kommt ausgerechnet diese Rosenkranz ins Spiel!
    Mit vor Aufregung zitternden Fingern tippt sie übers Display seines Telefons und lässt noch einmal die von Wimmern und Schluchzen durchsetze Nachricht abspielen:
     
    Onkel Bär … Bist du da? – Dann geh bitte ran … – Bitte! Hier ist Vali. Die haben mich entführt … eingesperrt … Sieht aus wie im Krankenhaus hier. Ist aber keins. Ist ein Irrenhaus … überall Gitter. Ist im Ausland … weiß nicht, wo. Kenn die Sprache nicht. Hilf mir, Onkel Bär. Bit-te! – Sag der Polizei Bescheid. Die sollen mich finden … Rolf haben

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