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Neben Der Spur

Neben Der Spur

Titel: Neben Der Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Theiss
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Hühnerfarm fast umsonst drankommt … Damit ist auch klar, dass er ein eigenes Projekt verfolgt. Hühnereiweiß würde nicht zu den Produkten der Firma Hepp passen.«
    »Ich muss Sie leider unterbrechen, Frau Hepp. Denn Sie sind bei mir an der falschen Adresse. Der Mietvertrag ist ein Fall fürs Betrugsdezernat. Und das Diätexperiment betrifft die Aufsichtsbehörden in … Warten Sie! Haben Sie Tschechien gesagt?«
    »Das beauftragte Institut heißt SIfOC und ist in Cheb ansässig.«
    »Sie wissen, dass die beiden Sprengsätze tschechischer Bauart waren?«
    »Hmm, bestimmt ein Zufall.« Gudrun schüttelt sich. Rolf ist ein mieser Taschenspieler, aber er würde doch nie …
    »Mir geht’s wie meinem Fernsehkollegen: Ich glaube nicht an Zufälle.«
     
    Wenn man über fünfzig ist, aus dem Schlaf erwacht und es tut einem nichts weh, dann ist man tot. Hans-Bernward de Beer tröstet sich seit Jahr und Tag mit diesem Kalauer. Und fühlt sich so lebendig wie nie. Heute tut ihm alles weh. Einfach alles. Der Kopf, der Rücken, die Schulter, die Hüfte, die Finger, die Fußzehen. Am schlimmsten die Fußzehen. Die beißen wie nach einem Marsch durch Schnee und Eis.
    Schnee und Eis? Wir haben doch August, fällt ihm ein. Er schlägt die Augen auf. Sieht ein trübes Licht, das durch eine Reihe Glasbausteine in den Raum fällt. Und seinen Atem sieht er in Dampfwölkchen aufsteigen. Fühlt seinen massigen Körper – ausschließlich mit einer Papierwindel bekleidet und von einer perforierten Plastikfolie umwickelt – auf blanken Fliesen liegen. Er blickt um sich. Fliesen am Boden, Fliesen bis zur Decke. Ein paar Meter von ihm entfernt liegt noch jemand. Mit einer Windel. Hat sich aus seiner Folie gestrampelt: Vali.
    Hans-Bernward graust es. »Vali! Hörst du mich? Vali?«
    Keine Antwort. Sein Neffe rührt sich nicht mal. Die Lippen sind blau. Sein Körper erschreckend mager. Aber er atmet. Atmet feine Schlieren in die kalte Luft.
    Hans-Bernward rappelt sich auf, kriecht auf allen vieren. »Vali, wach auf, wir müssen hier raus.«
    Vali öffnet die Augen, schielt ins Leere, schließt sie wieder, röchelt, zittert, liegt still.
    Sicher hat man ihm eine Dröhnung verpasst. Genau wie Hans-Bernward. Nur dass man Hans-Bernwards Körpergewicht nicht mitbedacht und die Dosis zu niedrig gewählt hat, sodass er vorzeitig aufgewacht ist. So was passiert, wenn man am falschen Ende spart, hat die Mutter immer gesagt …
    Er tappt, die Rückenschmerzen und die eisig kalten Fliesen missachtend, durch den Raum, folgt einer Trennwand aus Resopal, findet einen Nebenraum, wo eine Unmenge schmutziger Kohlköpfe und Lauchstauden auf einem rostigen Regal lagert. Er taumelt um das Gestänge herum, findet eine Tür, eine gepanzerte Tür. Von innen ist sie nicht zu öffnen. Daneben eine Schaltanlage mit Thermohygrometer. Das zeigt zehn Grad Celsius und siebzig Prozent Luftfeuchtigkeit an.
    So ist das also. Man will Vali und ihn langsam, ganz langsam erfrieren lassen. In einem Kühlraum. Unblutig. Ohne Todeskampfspuren. Und solange keine Leichen gefunden werden, ist der Mörder auf der sicheren Seite. Der Mörder? Westenberger! Er will sie ermorden. Oder ermorden lassen. Warum?
    Die Tür ist verrammelt. Es hat keinen Sinn, dagegen zu treten. Wer ihn hier eingesperrt hat, wird ihn kaum herausholen wollen. Besser, man hält ihn weiterhin für bewusstlos. Nur dann hat er eine Chance. Eine gewisse Chance. Ja, die hat er. Er ist groß, er ist stark. Und wenn er, seiner christlichen Nächstenliebe folgend, bislang keinen Gebrauch von seiner Kraft gemacht hat, dann ist jetzt der richtige Moment gekommen.
    Er rubbelt seine Finger, bis die Kuppen glühen, schwingt die Arme wie bei Frau Frieds ganzheitlicher Morgengymnastik, hüpft auf der Stelle, bis auch die lähmenden Schmerzen in den Zehen nachlassen. Dann zerschlägt er den vorderen Teil des Regals, greift sich eine der dickeren Streben, schwingt sie probeweise wie eine Keule auf und nieder. Reißt eine der Folien in Streifen, knotet sie aneinander, bindet sich den ohnmächtigen Valentin samt intakter Folie auf den Rücken. Nun ist einer für den anderen wie ein kleiner Ofen.
    So postiert sich Hans-Bernward hinter der Tür. Früher oder später wird sie aufgehen. Und er wird zuschlagen. Keine Sekunde wird er zögern. Er hüpft mit Vali auf dem Rücken und der Stange in den Händen auf und ab, hin und her, entschlossen, bei Kräften zu bleiben. »Halt durch, Vali«, flüstert er, »halt bloß

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